Schlachtfest – Die Wiederbelebung eines historischen Fotos

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A. Stötzner A. Stötzner Beitrag 1 von 43
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Guten Tag allerseits.

Ich bin als Grafikdesigner tätig und habe auch viel mit Fotografie und Bildbearbeitung zu tun. Aus privater Motivation habe ich mich entschlossen, ein historisches Foto von ca. 1912 digital zu restaurieren bzw. ›wiederzubeleben‹. Der originale Fotoabzug ist teilweise verblichen, es sind viele Kratzer und sonstige Fehler drauf – wahrscheinlich wurde der Abzug von einem beeinträchtigten Glasnegativ gemacht. Aber auch weil das Bild für mich eine persönliche Bedeutung hat, möchte ich etwas Zeit und Mühe investieren, um es wieder zum Strahlen zu bringen.
Die Arbeit beginnt natürlich mit einem hochauflösenden Scan, hier 600dpi.


Borna Bild-Computer Borna Bild-Comput… A. Stötzner 12.10.17 0


Das Bild zeigt eine kleine Gesellschaft, die sich zu einem Schlachtfest zusammengefunden hat. Es ist im Grunde eine sehr konventionelle Aufnahme, aber auf den zweiten Blick zeigt sie einige interessante Details: die Werkzeuge (Vorschlaghammer und Axt), feierliches Schnapseingießen, im Hintegrund (verdeckt) sogar das geschlachtete Schwein. Doch die Aufmerksamkeit lenkt vor allem ein kleines Mädchen im Vordergrund auf sich, und der etwas förmlicher gekleidete Herr, der ihre Hand hält.
A. Stötzner A. Stötzner Beitrag 2 von 43
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Als erstes befasse ich mich mit Tonwertkorrekturen. Der Tonwertumfang des Bildes ist eher gering und die Tonwert-Trennung, v.a. in den Tiefen, ist ungenügend. Mit diesem kleinen Ausschnitt als Demonstration soll gezeigt werden, wie das Bild durch Tonwert-Spreizung verbessert werden kann:

Borna Stadien Ansicht #02 Borna Stadien Ans… A. Stötzner 12.10.17 0

Da hier eine RGB-Datei in Arbeit ist, gibt es auch bei allgemeiner (RGB-Kanal-)Tonwertänderungen ein kleines Problem: die Farbtönung kann sich dabei geringfügig verändern. Dies ist aber nicht gewollt, und deswegen fahre ich die Farbsättigung global stark herunter, so daß sich der s-w-Eindruck verstärkt. Dadurch ist das Problem ungewollter Farbtonabweichungen durch die Bearbeitung nahezu ausgeschaltet. – Die originale Tönung des Bildes kann, wenn gewünscht, später wieder hergestellt werden.
Hier wird nun, partiell und global, erstmal eine grundlegende Hell-Dunkel-Korrektur vorgenommen:

Borna Stadien Ansicht #05 Borna Stadien Ans… A. Stötzner 12.10.17 1
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 3 von 43
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Und nun?
T ST T ST Beitrag 4 von 43
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Ich vermute das das eine Art Tutorial werden soll.

Grüße Thomas
virra virra Beitrag 5 von 43
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Zitat: A. Stötzner 12.10.17, 16:09Zum zitierten Beitrag... Da hier eine RGB-Datei in Arbeit ist, gibt es auch bei allgemeiner (RGB-Kanal-)Tonwertänderungen ein kleines Problem: die Farbtönung kann sich dabei geringfügig verändern. Dies ist aber nicht gewollt, und deswegen fahre ich die Farbsättigung global stark herunter, so daß sich der s-w-Eindruck verstärkt....
Warum bearbeitet du den Scan nicht im Lab-Modus?
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 6 von 43
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Prima! Und weiter?
Ich habe so was auch schon ein paar mal gemacht.
A. Stötzner A. Stötzner Beitrag 7 von 43
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Zitat: virra 12.10.17, 20:48Zum zitierten BeitragWarum bearbeitet du den Scan nicht im Lab-Modus?

Weil ich bislang immer im RGB- oder CMYK-Modus gearbeitet habe und damit sehr gut zurechtgekommen bin.

Mein Projekt hat aber auch noch einenen weiteren Aspekt, von der reinen Restaurierung abgesehen. Ich habe nicht ohne Sinn von ›Wiederbelebung‹ gesprochen. Denn ich werde, nachdem die reine Restaurierungs- od. Reparaturarbeit getan ist, noch einen Schritt weiter gehen: ich werde das Bild kolorieren.
Als es noch keine Farbfotografie gab, behalf man sich vielfach mit der händischen (Pinsel und Tusche) Einfärbung von s-w-Fotos. Ich finde diese Bilder habe einen ganz eigenen Reiz. Und es ist für mich eine Art gestalterisches Experiment, die Technik – mit heutigen Mitteln – nachzuempfinden und einem alten s-w-Bild auf diese Weise einen neuen Aspekt hinzuzufügen. Hier eine kleine Versuchsvorschau dazu:


farbversuch farbversuch A. Stötzner 13.10.17 0
T ST T ST Beitrag 8 von 43
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Eine interessante Arbeit, die Du uns da präsentierst. Richtig interessant wird's natürlich erst, wenn wir nicht nur Resultate dazu sehen sondern auch die von dir durchgeführten Operationen dazu.
Ich bin mir sehr sicher, das daraus eine sehr interessante Diskussion entstehen wird. Ich bin gespannt ....

Grüße Thomas
Martin Rodan Martin Rodan Beitrag 9 von 43
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Die Details werden letztlich das Salz in der Suppe ausmachen.
Vor allem die Kolorierung der einzelnen Elemente, über die Farbwahl und das finden des 'richtigen' Verrechnungs-Modus.
Man darf gespannt sein und vielleicht auch bleiben ;-)
virra virra Beitrag 10 von 43
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Zitat: A. Stötzner 13.10.17, 21:30Zum zitierten BeitragZitat: virra 12.10.17, 20:48Zum zitierten BeitragWarum bearbeitet du den Scan nicht im Lab-Modus?

Weil ich bislang immer im RGB- oder CMYK-Modus gearbeitet habe und damit sehr gut zurechtgekommen bin.


Wenn du Farbverschiebungen vermeiden willst, probiere mal deine Tonwertkorrektur/Gammakurve in den Ebenenmodus LUMINAZ zu setzen und beobachte, was dann geschieht. Das erspart dir das Hin- und Her mit der Farbe.
A. Stötzner A. Stötzner Beitrag 11 von 43
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Danke einstweilen für die technischen Tips … wir werden sehen. – Ja, ich möchte hier nicht nur ein Ergebnis, sondern auch die Arbeitsschritte vorstellen. Weil ich das interessant finde und ich denke, daß es anderen auch so gehen könnte.
Nun, zunächst mal ist Fleißarbeit angesagt: Butzen und Flecke wegmachen. Das ist hier eine Menge. Die Retusche geschieht natürlich vorwiegend mit dem Stempel-Werkzeug, wobei ich immer die Pixel-Stärke so gering wie möglich wähle, um möglichst präzise zu retuschieren, ohne viel vom Original zu verfälschen. Unten dazu eine Ausschnittsansicht.
Wie gesagt, die Bildfehler erstrecken sich über die ganze Fläche und das wird ein bischen Zeit in Anspruch nehmen. Jetzt brauchen wir erstmal etwas Geduld …


Borna Stadien Ansicht #06 Borna Stadien Ans… A. Stötzner 14.10.17 0
virra virra Beitrag 12 von 43
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Bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt. Also für mich wäre es ne Strafbarkeit. Alte Bilder ausretuschieren mache ich nicht gerne.
A. Stötzner A. Stötzner Beitrag 13 von 43
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Zitat: virra 14.10.17, 22:57Zum zitierten BeitragBin gespannt, wie sich das weiter entwickelt. Also für mich wäre es ne Strafbarkeit. Alte Bilder ausretuschieren mache ich nicht gerne.

Strafbarkeit oder Strafarbeit?
Ja, die Retusche ist in einem solchen Fall wirklich eine Strafarbeit. Ich melde mich wieder, wenn ich damit vorangekommen bin.
virra virra Beitrag 14 von 43
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*lol* Grüße von der Autokrrektur...
A. Stötzner A. Stötzner Beitrag 15 von 43
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Zitat: virra 16.10.17, 13:55Zum zitierten Beitrag*lol* … Autokrrektur...Autokorrikatur? Verschrotten!

Spaß beiseite, weiter im Text.

Wenn es sich bloß um Dreckpunkte handeln würde, wäre die Sache nicht der Rede wert. Und wenn es auch viele Pünktchen wären, halb so wild. Aber die Retusche bereitet hier einige ziemlich spezielle Aufgaben, auf die ich kurz im Detail eingehen möchte.

Da sind zum einen eine Menge haarfeiner Kratzer. Auch dies wäre auf einem einfachen Hintergrund keine Sache, aber vor einem Hintergrund wie z.B. der dicht gestreifte Rock der Bäuerin, das ist etwas anderes. Denn ich möchte die Kratzer ja nicht »zupinseln« und dabei etliche Partien des Bildes in Mitleidenschaft ziehen, sondern ich möchte die optische Struktur der Partie möglichst gut erhalten. Also sind Geduld und Fingerspitzengefühl gefragt.


retusche_01 retusche_01 A. Stötzner 16.10.17 0


… Das wäre geschafft. Man sieht in diesem Ausschnitt auch ganz gut, daß das Korn des Fotos in der Originalaufnahme scharf ist und daß diese Schärfe es gut bis in den Fotoabzug und in den Scan geschafft hat.
Wenigstens etwas! Auch der Fokus der Aufnahme ist im Vordergrund scharf, mit Ausnahme der seitlichen Bereiche.

Besonders viele feine und feinste Kratzer sind leider auch über dem dunklen Kleid des Mädchens, wo sie »besonders gut zur Geltung kommen«.


Schlachtfest Schlachtfest A. Stötzner 16.10.17 1


Nun ja, Straf- oder Fleißarbeit, wie man möchte. Hier ist mir übrigens bei der Bearbeitung ein kleiner Fehler unterlaufen, in der Gegenüberstellung sollte das zu erkennen sein. Wird korrigiert.

Überhaupt, die dunklen Partien. Die dunklen Anzüge der zwei Herren in der Mitte nehmen einen großen Teil des Bildes ein – und dieser Teil ist fast durchgängig beschädigt. Stellenweise sind ca. 50% des Bildes in Mitleidenschaft gezogen:


Schlachtfest Schlachtfest A. Stötzner 16.10.17 1


Zu den vielen Kratzern und Punkten kommen hier noch wolken- od. sandhaufenartige Flächenfehler hinzu, nennen wir sie spaßeshalber Sandwolken. (Sandmännchen läßt grüßen, aber der arme Retuscheur muß nach 19 Uhr noch arbeiten.)
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