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Strom für die Rhön

Strom für die Rhön

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Roman Verlohner


Premium (Pro), Rülzheim

Strom für die Rhön

Normalerweise sind Freileitungsmasten in Eisenbahnbildern ja verpönt. Aber die sogenannten Deltamasten der 20-kV-Leitung Bad Neustadt–Mellrichstad zum Überlandwerk Rhön, finde ich, sind es wert in ein Bild aufgenommen zu werden. Sind sie doch in Deutschland eine Setlenheit und dazu schon historisch. Viel jünger als die Dampflok 98 886 des Rhön-Zügle ( Baujahr 1924 ) dürften sie zudem auch nicht sein.

Und so kam vor über 90 Jahren der Strom in die Rhön:

„Es ist zu befürchten, dass die Rhönbevölkerung diese Anlagen nicht nutzen und sie auf Jahre hinaus brach liegen lassen würden“, so beantwortete zu Beginn des 20. Jahrhunderts der preußische Minister für Handel und Gewerbe eine Anfrage des Kreises Gersfeld hinsichtlich der Elektrifizierung der Rhöngemeinden. Nicht anders fiel die Antwort auf bayerischer und thüringischer Seite aus. Man glaubte, dass die Rhöner nicht in der Lage seien, den Strom abzunehmen.

Eine solche Einschätzung waren die Rhöner nicht gewillt zu akzeptieren. Im Rathaus von Fladungen gründeten sie am 29. März 1920 die Überlandwerk Rhön GmbH. 85 Gemeinden und Städte traten im Lauf des Jahres bei, viele weitere folgten.

Mit tatkräftiger Unterstützung der Firmen Siemens-Schuckert, AEG und BBC baute man zügig das Versorgungsnetz auf. Für den weiteren sachkundigen Netzbau und den Unterhalt der Anlagen sorgte fachkundiges Personal, das man aus diesen Firmen rekrutiert hatte. Schon damals legte man die bis heute gültige Verteilerspannung auf der Mittelspannungsebene mit 20 kV fest. Für die damalige Zeit keine selbstverständliche Entscheidung, denn im übrigen Bayern, Hessen und Thüringen hatte man Spannungswerte mit 6, 10 oder 15 kV eingeführt.
So blieben dem Überlandwerk Rhön später hohe Umstellungskosten erspart.

Den Strom bezog das Überlandwerk Rhön bis zum Höhepunkt des Kalten Krieges im Jahr 1952 sehr zuverlässig aus dem Kraftwerk Breitungen/Thüringen. Auf Grund des politischen Auseinanderdriftens von Ost und West stoppte man die Strombelieferung aus Thüringen für das Überlandwerk. Die in das bayerische und hessische Netzgebiet laufenden Stromleitungen wurden auf thüringischer Seite gekappt. In kürzester Zeit mussten neue Versorgungsleitungen aus Hessen und Bayern gebaut werden. In einer einmaligen Leistung wurde in wenigen Wochen eine 30.000 Volt-Leitung mit mehr als 20 Kilometern Länge von Bad Kissingen in das Umspannwerk nach Bad Neustadt gebaut. In den Jahren danach baute die Überlandwerk Rhön GmbH das Netzwerk in der strukturschwachen und weitläufigen Rhön kontinuierlich aus. Erst im Zuge der Wiedervereinigung konnten auch die damals von der Überlandwerk-Versorgung abgetrennten Gemeinden der Landkreise Schmalkalden-Meiningen und Wartburgkreis im Jahr 1993 nach zähen Verhandlungen wieder an das Überlandwerk Rhön angegliedert werden.

Sitz des Überlandwerks war bei Gründung die Stadt Fladungen. Doch noch im gleichen Jahr zog die Überlandwerk Rhön GmbH nach Mellrichstadt, wo sie zunächst in der Hauptstraße untergebracht war. Das heutige Firmengebäude in der Sondheimer Straße 5 wurde im Jahr 1988 bezogen. 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 20 Auszubildende, bieten Kunden neben der sicheren Stromversorgung rund um die Uhr eine Vielzahl von Leistungen der Stromversorgung und -anwendung von der Energieberatung über die Elektroinstallation bis hin zum Elektrofachgeschäft. Die dezentrale Struktur mit über das Netzgebiet verteilten Bezirksstellen garantiert den Kunden kurze Wege. Durch das rund 3.200 km lange Leitungsnetz fließen jährlich über 400 Millionen Kilowatt-stunden Strom bei einer Höchstlast von ca. 72 Megawatt. Dies ist etwa ein Tausendstel des deut-schen Strombedarfs. Mit großem Verantwortungsbewusstsein beteiligt sich das Überlandwerk Rhön auch an der Erzeugung regenerativer Energien, z.B. mit dem Betrieb von Photovoltaik-, Hackschnit-zel-, Biogas- und Biomethananlagen.

25.09.2011 bei Mellrichstadt

(Quelle: www.rhoenline.de )

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