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Warten auf den Zitteraal

Warten auf den Zitteraal

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Warten auf den Zitteraal

Noch einmal ein mehr historisches Foto das zugleich Aussagekräftig ist über das was im Jahr 1980/81 sich wirtschaftlich und politisch im Hintergrund abspielte.

Um Öl zu sparen wurde Kohleloks reaktiviert, am 14.04 1980 dem Tag der Aufnahme stand immerhin schon an 6 Kohle Maschinen „BW Saalfeld“ angeschrieben. Als letzte gesellte sich dazu die wohl nicht unbekannte noch heute im Einsatz stehende 01 2118.
So war ich schließlich mit der 01 2114 unterwegs zu einer recht angenehmen Tour.
Dienstbeginn 11.00 Uhr bis 20.15 Uhr = gleich 9.15 Stunden Dienst, die kürzeste Planarbeitszeit im Plan 301.
Unsere Aufgabe den P 4004 nach Camburg zu befördern, natürlich Wasser nehmen drehen in Camburg um mit den P 4009 in schneller Fahrt dem Feierabend entgegen zu fahren.
Mit dem P 3003 kamen die Kollegen bereits von Camburg die wir an der Drehscheibe erlösten - ablösten.
Da es eine Kohlelok war kam erst mal einiges an unangenehmen Arbeiten auf uns zu die wir uns beim Öler ersparen konnten.
Ausschlacken, Rauchkammer reinigen, da die Kohle gut war wurde uns das diesmal nicht allzu schwer gemacht.
Ansonsten der beißende Rauch, der von der Schlacke aus dem Kanal über den Führerstand sich verbreitete und
Rauchkammer reinigen, dass muß man selbst erst mal erlebt haben um darüber zu schreiben.
Relativ kurz hatten mein Heizer und ich gebraucht, so konnten wir das Bw schnell wieder verlassen um an unseren Zug fahren, der im Personenbahnhof Richtung Probstzella bereitstand wo wir bis etwa 13.00 Uhr unsere Ruhe hatten.
Denn erst mußte der Zitteraal „München - Probstzella - Berlin – Friedrichstraße“, 12.45 durch den Bahnhof fahren.
Nicht ohne Grund lässt uns der Fahrdienstleiter nicht ins Gleis 2, denn der Interzonenzug durchfährt Gleis 3 in Saalfeld.
Einzig und allein damit „Horch u. Guck“ in Zivil aber auch der VEB Schotterschutz (Bahnpolizei) den durchfahrenden Zug gut beobachten können.
Danach wird uns der Stellwerker den Auftrag erteilen am Ra 11b (vor der Lok zu sehen) vorbeizufahren in den Personenbahnhof nach
Gleis 2.

Was zeigt uns nun alles unser Bild das ich über den Tender der 01 2114 fotografiert habe.

Den reichlich mit guter Kohle beladenen Tender wo das Kohleaufsatzbrett noch ganz weiß aussieht, also erst neu im Raw angebaut wurde.
Einen weiten Blick über den Bahnhof in Richtung Affenfelsen (Brücke) über dem Schornstein gesehen zu erkennen der Personenbahnof.
Schauen wir nach rechts rüber ist der großflächige Güterbahnhof zu sehen.
Auf dem Gleis gleich rechts neben unserer Lok dort wird dann der erwähnte Zitteraal durchfahren.

Noch ist es nicht so weit, denn zu sehen ist da eine 44er die noch mit Heizöl fahren darf (132er gab es zu diesen Zeitpunkt noch nicht in Saalfeld) mit einen schweren Benzinzug. Der sich auf Hf 2 gerade zur Staatsgrenze West – Probstzella in Bewegung setzt.
Genau das ist der Widerspruch, im Lande wird das Öl knapp, müssen die Heizer ihren hochgelobten Job als „Beimann“ wie die Obrigkeit den Linksaußen auf dem Öler nannte aufgeben.
Zurück zur Kohlezeit wurde einfach so befohlen.
Für den „Klassenfeind“ wird weiterhin Benzin aus den Raffinerien der DDR in den Westen gekarrt. So sah die Wirklichkeit damals aus.

Für uns gab es 13.14 Uhr den Startschuss, sprich Zp 9a für die Saalebahn wo wir 14.10 in Camburg ankommen.
Die üblichen Arbeiten sind schnell erledigt um wieder jederzeit Einsatzbereit zu seien.
Wenn ich nun schreibe 17.49 Uhr soll unsere Rückleistung der P 4009 einfahren mit der Abfahrtszeit 18.02 Uhr.
Kann sich jeder ausrechnen, wenn dazwischen gut 4 Stunden bezahlte Freizeit für das Personal liegen, dass es uns so schlecht nun auch wieder nicht ging bei der DR.
Die reichte sogar für einen Stadtspaziergang, im Sommer fürs Freibad auf alle Fälle zum einkehren bei Horsti in der Bahnhofswirtschaft.
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Da euch mein Beitrag wie ich lesen kann recht gut gefällt, möchte ich auf Umwegen mal die Zuglok 01 2114 in ihrer vollen Pracht am 14.04. zeigen.
Auch wenn ich so lässig über die große Pause in Camburg geschrieben habe.
Unsere Lok wurde auf keinen Fall vernachlässigt wie zu sehen ist.

Da steht sie nun und strahlt vor sich hin wie ein Honigkuchenpferd, als Dank wird sie uns auch nicht den Feierabend versauen.

http://img189.imageshack.us/my.php?image=1097012114140480uv2.jpg
Ralf

Kommentare 15

  • CyranoPuschkin 13. März 2008, 10:31

    Alles Wesentliche ist bereits geschrieben;
    was ich noch "unterstreichen" will:
    Das Besondere sind wahrlich die ausführlichen und qualitativ hochwertigen TEXTE zu Deinen Fotos.
    Gerade DIE machen die Bilder nämlich erst so richtig LEBENDIG - und umgekehrt ... !!!!!
    Daß Du diese Deine Werke - in Wort & Bild - für die Nachwelt "nachles- & bewunderbar" machen solltest ...
    ... find ich auch !
    DANKE jedenfalls für Deine Mühen und das Teilhaben lassen an Deinen Schätzen !!!
  • JensReichelt 26. Februar 2008, 23:03

    Hallo Ralf,

    auch wenn ich es so nicht mehr erlebt habe, kann ich es als Dampflokführer doch nachempfinden. Fotos und Story einfach sagenhaft. In Zittau habe ich Planbetrieb und Kantine noch erlebt. Was soll ich sagen. Unwiderruflich vorbei. Zu mindest die DR Zeit und die Kantine.

    Eure Altbau sieht wirklich top aus. Eben erst das Pferd und dann der Reiter. ;-))

    Viele Grüße

    Jens
  • Dirk Bake 13. Januar 2007, 15:12


    Könnte es sein, dass die beiden waagerechten Signalflügel zu zwei Signalen gehören, die sich auf dem Bild zufällig deckungsgleich wiederfinden?
  • D.R. Dark 18. November 2006, 13:12

    Auch hier wieder mit einer ungeheuer guten Hintergrundgeschichte. Das sollten mal die Leute lesen, die die Mauer gern wieder aufbauen würden.
    Bemerkenswert, wie viel Sozial-Geschichte sich hinter so einem Eisenbahnbild verbergen kann.
    Mir fällt grad noch das "Doppel-HP0" auf. War das in der DDR üblich, dass bei zweiflügligen Signalen beide Flügel unten waren?
    Gruss Harald
  • Michaela Heckers 23. Oktober 2006, 22:41

    Mannomann, ein klasse Doku wieder mal!
    Ich glaube, wenn Du´s nicht tust, dann nehme ich irgendwann mal Dein Material und mache ein Manuskript draus...! ;-)))
    LG, Michaela
  • † Rothauge 21. Oktober 2006, 20:12

    Deine Bildbeschreibungen lassen sich immer gut lesen. Interessant und informativ.
    Und, was wurde nicht ins NSW verkauft, um an Devisen zu kommen. Die Liste wäre lang...

    GM
  • Der Pufferküsser 21. Oktober 2006, 10:40

    Welche eine Geschichte - ich glaube auch daß Du vielleicht dran denken solltest ein Buch zu verfassen, Material hast Du ja genug und es liest sich immer wieder spannend.
    Das mit den Reserven verschachern ist aber irgendwie typisch, denn Devisen waren wohl wichtiger als das eigene Volk zu versorgen ...
    LG Dietmar
  • Herr Ring 21. Oktober 2006, 8:36

    Eine interessante Geschichte - da hatte man Reserven in eigenen Raffinerien und verkaufte sie dem "Feind".
    Nen Vorteil hat´s gehabt - für die Fans der schwarzen Riesen.

    Gruß Sven
  • Ralf Göhl 20. Oktober 2006, 17:53

    Herzlichen Dank euch allen schon mal, dafür hab ich schnell noch einen Link beigestellt.
    Zu sehen das gute Stück am 14.04.1980 in Camburg aus.

    Ralf
  • Sven Jünger 20. Oktober 2006, 16:26

    Dieser weitläufige Blick über die proppevollen Gleisanlagen früherer Jahre erstaunt mich immer wieder. Wenn ich es nicht kleinerweise selbst noch miterlebt hätte, würde ich es kaum glauben wollen, dass der Alltag schonmal anders aussah als heute.
    Im wahrsten Sinne des Wortes wächst Gras über die einstigen Bahnhöfe, auf denen Tag und Nacht der Verkehr tobte.

    Schönes Bild und vor allem wieder ein sehr interessanter Text dazu, gefällt mir! :o)

    Gruß Sven
  • Thom@s Jüngling 20. Oktober 2006, 16:23

    Das sind Bilder mit eingebauter Sucht-Garantie - einfach spitze! Das lässt sich nur mit "lebendiger Eisenbahn-Geschichte" umschreiben - man ist immer mittendrin im Geschehen.

    Die Idee mit dem Buch kann ich nur befürworten - hier ist der nächste Käufer ;-)

    Gruß, Thomas
  • Ulli Dietzel 20. Oktober 2006, 15:37

    Ich kann mich den Vorgängern nur anschließen. Sehr interessante Einblicke in das Betriebsgeschehen von damals und tolle, authentische Bilder aus dieser Zeit.

    Weiterso

    Gruß UIli
  • Ralf Temme 20. Oktober 2006, 13:03

    wie immer : Einfach sagenhaft Deine Berichte hier !!!

    Wie gesagt: Verfass ein Buch damit, ich bin der erste Käufer ..

    Gruß und schönes WE

    Ralf
  • Steffen°Conrad 20. Oktober 2006, 12:23

    Das ist wieder der klassische " Freitags Ralf zugbericht"
    Ansprechend in Wort und Bild-
    die seltene Perspektive aus der Tendersicht verleiht- neben den geschilderten Aufgaben von " Schotterschutz" und "3Buchstaben-Greifvogel"
    dem Bild einen besondere Exotik !!

    6 Jahre weiter war der Wahnsinn so weit, das Straßenbahnfahrer in Berlin eingezogen, in Leipzig als Soldat Straßenbahn steuerten, weil da Straßenbahner eingezogen wurden...
    Vg Steffen
    PS. den Zitteraal kenn ich auch als "Mumienexpress"...
  • manfredowitsch 20. Oktober 2006, 12:04

    das bild allein ist eine wunderschöne dokumentation des damaligen betriebsgeschehens - vor allem, weil es eben live von einem der fahrenden zunft aufgenommen wird. was all deine bilder hier aber gegenüber allen anderen SO besonders macht, sind die langen, ausführlichen texte... sagenhaft, welche deteils du aus der damaligen zeit herüber gerettet hast. irgendwie schreit das alles doch nach einem buch... ;-)
    Auf nach Görlitz!
    Auf nach Görlitz!
    Hamu mit der Umhängetasche