1.148 5

Andrea Schniggendiller


kostenloses Benutzerkonto

Urwald - Moos

Moos
 
Hast du schon jemals Moos gesehen?
nicht bloß
so im Vorübergehen,
so nebenbei von obenher,
so ungefähr -
nein, dicht vor Augen, hingekniet,
wie man sich eine Schrift besieht?
O Wunderschrift! O Zauberzeichen!
Da wächst ein Urwald ohnegleichen
und wuchert wild und wunderbar
im Tannendunkel Jahr für Jahr,
mit krausen Fransen, spitzen Hütchen,
mit silbernen Trompetentütchen,
mit wirren Zweigen, krummen Stöckchen,
mit Sammethärchen, Blütenglöckchen,
und wächst so klein und ungesehen -
ein Hümpel Moos.
Und riesengroß
die Bäume stehen ...

 
Doch manchmal kommt es wohl auch vor,
daß sich ein Reh hierher verlor,
sich unter diese Zweige bückt,
ins Moos die spitzen Füße drückt,
und daß ein Has' vom Fuchs gehetzt,
dies Moos mit seinem Blute netzt ...
Und schnaufend kriecht vielleicht hier auch
ein sammetweicher Igelbauch,
indes der Ameis' Karawanen
sich unentwegt durchs Dickicht bahnen.
Ein Wiesel pfeift - ein Sprung und Stoß -
und kalt und groß
gleitet die Schlange durch das Moos ...
Wer weiß, was alles hier geschieht,
was nur das Moos im Dunkeln sieht:
Gier, Liebesbrunst und Meuchelmord -
kein Wort verrät das Moos.
Und riesengroß die Bäume stehen -
Hast du schon jemals Moos gesehen?

Siegfried von Vegesack

Kommentare 5

  • Andrea Schniggendiller 10. Mai 2007, 0:16

    Hallo Frank,
    muss ich doch noch mal versuchen diese unleidlichen Bearbeitungsprogramme zu begreifen?!

    Vielen Dank für deinen super Kommentar... mal schauen ob ich ihn umsetzen kann.

    Gruß Andrea
  • Frank Moser 9. Mai 2007, 7:37

    Gedicht und Bild passen gut. Das Licht in Deinem Bild ist gut - es hebt das Moos vom Hintergrund gut ab, die Schärfe- /Unschärfe-Verteilung verstärkt diesen räumlichen Eindruck. Der Bildaufbau mit der Diagonalen ist gelungen, der Ausschnitt hätte ein wenig enger sein können - der Ast oben links passt dort nicht gut hin und die Zweige rechts unten hätte ich von der Helligkeit her entschärft, ebenso das Polster unten links und rechts, weil es mit der Flechte etwas konkurriert.

    Gruß Frank.
  • Andrea Schniggendiller 8. Mai 2007, 15:54

    Hi Ullrich,
    danke für den Hinweis.... muss ich doch mal los und richtiges Moos fotografieren. Das Gedicht musste ich in meiner Schulzeit.... boah das ist schon zig Jahre her... auswendig lernen. Ich find es einfach klasse.

    @ Manfred... bayrischer Wald?... Ich war in der Eifel im Wald :-) Bayern ist mir zu weit weg *lach*
  • Manfred Kopal 8. Mai 2007, 13:25

    Ja im Bayrischen Wald in Ruhe und Zurückgezogenheit kommen die Gedanken ...
    Ein sehr schönes expressionistisches Gedicht,
    und natürlich Kompliment für das schöne Bild.
    Viele Grüße
    Manfred
  • Ulrich Kirschbaum 8. Mai 2007, 8:37

    Ein wunderschönes Gedicht! Dass das "Moos" in Wirklichkeit eine Flechte ist - Evernia prunastri; die Pflaumenflechte - tut der Poesie keinen Abbruch.
    mfg Ulrich

    P.S. Die Flechte ist auch noch gut getroffen.