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Claudia Sölter


Premium (Basic), Frankfurt am Main

Rast ...

Rast ...
++++++
... dringend nötig!
„Das war’s ... keinen Bock mehr. ‚That was it‘, würde der Engländer sagen. Mir reicht’s!
Ende, aus und vorbei ... hier bleibe ich ... nach mir eine Sintflut ... i mog nimmer!“
Das ist nur ein kurzer Auszug aus jenem Fragmente-Gewirr in meiner Matschbirne an jenem Abend im August. Vollständige Gedankenstränge hatte ich wohl keine mehr – jedenfalls keine, an die ich mich erinnere!

Soeben bin ich den Schinderhannes-Radweg von Simmern (fast) komplett nach Emmelshausen im Hunsrück gefahren. Davor war noch die Plackerei von Argenthal nach Simmern zum Radweg-Einstieg zu bewältigen. Das sind 45km, die sich nur für Ahnungslose und Fitness-Besessene niedlich anhören mögen, aber nicht für mich.
Denn DIESER Radweg geht in DIESER Richtung fast nur bergauf – stetig und hartnäckig. Der 24.08.2019 liegt zeitlich zudem in einer beginnenden Hitzewelle. 30°C im Schatten prasseln auf meine zunehmend dahin schmelzende Birne ein. Tja, und dann bummeln hinter mir auf dem Anhänger die gesamte Campingausrüstung, das Foto-Geschirr und mehrere Liter Wasser für den menschlichen Antrieb da vorne auf dem Fahrrad her. Kilogramm-Angaben sind dabei relativ: Den Berg hinunter sind’s nur 2kg – den Hügel hoch dann eher so 40kg. Die Leichtigkeit des Hinweges habe ich auf die zu dem Zeitpunkt kühlen Temperaturen und dem Rückenwind zugeschrieben, obwohl ich im Vorfeld auch irgendwas mit Gefälle gelesen hatte. Verdrängung! Und doch kommt es (nur für mich) überraschenderweise dazu, dass ich mich auf dem Rückweg plagen muss.
Hier befinde ich mich 2 Kilometer südlich vor Emmelshausen. Natürlich will ich durchhalten und bis zu jenem Moment, da ich mir eine Pause gönne, steht mein Plan auch noch: Bis nach Emmelshausen die restlichen 2 Kilometer und dann noch nen büschen nach links – die Lichtverschmutzungskarte zeigt recht gute Werte in westlicher Richtung von Emmelshausen. Aber, ich habe Hunger und verzehre genüsslich mein Abendessen an einem wunderschönen Aussichtspunkt. Es ist so schön dort, dass sich Gedanken daran, für diesen Tag Schluss zu machen und die geplanten Aufnahmen am Abend von hier aus zu machen, Zugang zu meinem Bewusstsein verschaffen. Ja, warum nicht? Und so freue ich mich auf die Nacht und über den Luxus einer Tischgarnitur in Standard-Ausführung für draußen.
Ich spanne herrlich ab!

Was will der denn hier?
Ein Wohnmobil kommt und vollführt den üblichen Eiertanz, den Wohnmobile nun mal so machen, bis sie endlich gerade stehen! Och nö ... nöööööööööööö! Es dauert einen Moment, bis mir gewahr wird, dass dieser Aussichtspunkt offenbar ebenso ein offizieller WoMo-Stellplatz ist. Nö, also auf Publikum habe ich so gar keine Lust! Da steht mein geliebtes Fahrrad, mein treuer Anhänger – gaaanz sicher haben die sich auch gerade auf den Feierabend gefreut. Jedoch, der Gedanke daran, die beiden jetzt doch noch mal bewegen zu müssen, macht mich ... müde ... bleiern geradezu! Das sind echte Schmerzen und ich torkele knirschend zum Gespann – setze mich nochmals in Bewegung. Ich entscheide mich, in einer letzten und sicherlich mit lauten Flüchen ummantelten Kraftanstrengung den Hügel hinter dem Aussichtspunkt zu erklimmen. Da steht doch eine Bank, oder so etwas Ähnliches?!

Leute, fragt Ihr Euch auch manchmal, was Ihr da tut und vor allem, warum Ihr das tut?
Und warum kann ich den lieben Gott nicht einfach mal einen nichtigen Zwerg sein lassen?
Warum müssen die Vorhaben immer durchgezogen werden?
Ist Dein eigentlicher Feind tatsächlich die Steigung oder doch Dein eigener Starrsinn?
Ich liebe meine Abenteuer und ich liebe meine Touren, doch dürften sie für mich auch gerne mal einen Hauch bequemer sein. Kann ich mir nur nicht leisten ... einfach kein Geld!

Gut, die Bank entpuppt sich als Bank-Ruine, die allerdings in fotogenem Rot. Aber die Aussicht von hier oben ist ja noch viel schöner und hier habe ich meine Ruhe. Perfekt! Hat sich also doch gelohnt. Gepennt habe ich nach vollbrachter „Knips-Arbeit“ hernach wie ein ermattetes Faultier.
Während ich das hier schreibe ist schon völlig klar, dass ich nächstes Jahr weitermachen werde!
;-)

Zum Foto:
Ein Blending. Die Aufnahme vom Boden zur Blauen Stunde gemacht und das Milchstraßen-Panorama etwa eine Stunde später vom gleichen Aufnahmestandort.
Die (August-)Milchstraße leicht nach links gekippt für die Bildgestaltung.


nachgeführt | gestapelt | Panorama | überblendet
(TRACKED | STACKED | PANORAMA | BLENDING)

Himmel:
ISO 1600 • n=f/4 • 18mm
8 x Hochformat • 2 Reihen (5+3 Bilder) • 4 x 120" • nachgeführt mit Omegon Minitrack LX2

Boden:
ISO 400 • n=f/5,6 • 10“ • 24mm
Ausschnitt aus einem Panorama.
7 x 3 Hochformat (gestapelt zur Rauschreduzierung) • 1 Reihe
Kamera:
Canon EOS 500D
Objektiv:
Canon 18-55mm
Software:
Photoshop • PTGui

Kommentare 4

  • Mischa KÖNIG 2. Oktober 2019, 15:41

    ...leider, liebe Claudia, ich finde keine Worte die genau so gut sind,
    wie dass, was ich sehen und lesen kann! Aber, ich genieße das Ganze -
    eine Genuss für die Augen und eine Wohltat für`s Gemüt...

    gglG
    Mischa
  • _Morgenstern_ 1. Oktober 2019, 21:01

    Endlich! ... wieder ein wunderbares Bild und ein dazugehörende Geschichte von dir. Du hast meinen größten Respekt vor deinen Touren mit all der körperlichen Anstrengung. Vom grandiosen Ergebnis der Bilder mal ganz zu schweigen.
    Ja ... und nun kommt der Winter ... erst mal keine Bilder mehr? Hoffentlich nicht.
    Liebe Grüße
    Berit
    • Claudia Sölter 6. Oktober 2019, 2:30

      Keine Sorge ... ich habe dieses Jahr wieder viel erlebt und selbst, wenn ich mal die Gesamt-Zusammenfassungen alle geschrieben haben sollte, kann ich mir immer noch Episoden heraus picken.Irgendwann kommt z.B. bestimmt noch die Geschichte von der E-Bike-Frau, auf die ich mit meinem ganzen Gepäck einmal beinahe aufgefahren wäre – bergauf, wohlgemerkt!
      *lol*
      Hatte ich es Dir schon einmal gesagt?!Von so einer Reise kannst Du ohne Foto zurück kommen, aber nie ohne Erinnerung – darum gehören die Geschichten unbedingt dazu!Ich danke Dir!:-)