Annette He


Premium (Complete), Süddeutschland

Petrochemische Idylle

Die Finnmark ist ein Gebiet, das wild, rauh, lebensfeindlich und unglaublich schön ist. Vor allem, wenn man sich von der Meerseite und im Winter in dieses Gebiet wagt, wird man von der atemberaubenden Schönheit vollkommen in seinen Bann gezogen. Bei schönem Wetter sieht man azurblauen Himmel, weiße Berge, die wie aus dem Nichts bis auf Höhen von über 1000 m klettern, tiefblaues Wasser und sonsts: nichts, einfach nichts. Man könnte meinen, jemand habe die Alpen geflutet und alles Leben vertrieben und nur die Schönheit und Kargheit dagelassen. Es ist ergreifend.
Doch wenn man sich Hammerfest nähert, einer der Hauptorte des Fylkes Finnmark, kann man das Zweifeln anfangen. Auf einem kleinen Inselchen vor Hammerfest ist in den letzten Jahren eine Raffinerie entstanden, die das Gas, das auf dem Gasfeld Snøhvit 140 km nordwestlich von Hammerfest gefördert wird, verarbeitet. Diese petrochemische Idylle paßt in die Finnmark wie ein Eskimo in den Urwald. Aber das ist wohl unsere moderne Welt.

Finnmark´s Rushhour
Finnmark´s Rushhour
Annette He


Für die Neugierigen (Quelle: Wikipedia)

Snøhvit (deutsch Schneewittchen), auch Snøhvitfeltet, ist das fünftgrößte norwegische Gasfeld - betrieben vom Statoil-Konzern. Eigentlich besteht es aus den drei einzelnen Feldern Snøhvit, Albatross und Askeladd, die jedoch Teil eines gemeinsamen Entwicklungsplans geworden sind. Die Vorkommen wurden 1984 entdeckt und liegen ca. 140 km nordwestlich von Hammerfest auf dem norwegischen Kontinentalsockel in der Barentssee.
Schätzungen zufolge enthält das Feld förderbare Mengen von Erdgas in einer Größenordnung von um 160 Mrd. m³ und mit einem Kohlendioxidgehalt von 5-8 %, die zur Herstellung von Flüssigerdgas gewonnen werden sollen. Es wird eine Jahresmenge von 5,75 Milliarden m³ Flüssigerdgas angenommen, dazu kommen 747.000 Tonnen Erdgaskondensat und 247.000 Tonnen Flüssiggas. Ebenfalls ist eine dünne Ölzone vorhanden. Die Reservoire befinden sich in Sandsteinen des Unteren und Mittleren Juras.
Das Herz der Anlage, eine 9 × 154 × 54 m große und 10.000 Tonnen schwere Barke, die mit einer 25.000 Tonnen schweren Prozessanlage zur Gasverflüssigung bestückt ist, wurde in etwa 300 m Wassertiefe auf dem Meeresgrund installiert. Sie verließ im Juni 2005 ihre Werft bei Puerto Real, Cádiz, in Südwestspanien und wurde vom Halbtauchschiff Blue Marlin an ihren Standort transportiert, wo sie im späten September eintraf und dort bis Sommer 2006 eingebaut wurde.
Durch eine 143 km lange und 68 cm durchmessende unterseeische Pipeline wird der aus verschiedenen flüssigen Erdgas- Kondensatphasen bestehende Förderstrom in die Weiterverarbeitungsanlage zur Insel Melkøya gebracht. Diese Pipeline wird als die längste Mehrphasen-Pipeline der Welt bezeichnet (multiphase). Auf Melkøya werden die Phasen getrennt und prozessiert. Dort befinden sich die Steuereinrichtungen und eine Kühlanlage, mit der das gewonnene Erdgas abgekühlt wird. Es handelt sich dabei um die erste Gasförderanlage in Norwegen, die völlig ohne Förderplattformen an der Meeresoberfläche auskommt.
Im Herbst 2007 ist die Anlage in Betrieb gegangen. Nach einigen Wochen wurde die Anlage wegen technischer Anlaufschwierigkeiten abgeschaltet. Der Betrieb wurde ab dem 25. Januar 2008 wieder aufgenommen und hat mittlerweile 100% Kapazität erreicht (Stand März 2009).
Das Herzstück der Anlage wurde von der Firma Linde konzipiert und geliefert. Die Kältekreisläufe zur Abkühlung des Gases werden in Bezug auf Verfügbarkeit und Energieverbrauch noch optimiert.
Die Kosten wurden ursprünglich mit 51 Milliarden Kronen (über 6 Milliarden Euro) veranschlagt. Die tatsächlichen Kosten werden inzwischen auf 60 Milliarden Kronen geschätzt (Stand Februar 2008). Diese hohen Investitionssummen werden sich aber aufgrund langfristiger Lieferverträge schon in wenigen Jahren amortisieren.
Die Anlage ist ein Musterbeispiel an Umweltschutz, da das im Erdgas enthaltene CO2 nicht wie üblich an die Atmosphäre abgegeben, sondern unterirdisch gelagert wird. Kontinuierliche Emissionen werden nur durch die hoch effizienten Gasturbinen zur Stromerzeugung verursacht, die allerdings gereinigtes Erdgas relativ umweltfreundlich mit minimaler NOx Produktion verbrennen. Giftige Substanzen wie Benzol oder Quecksilber werden im Prozess abgetrennt und sicher gehandhabt. Abfackeln von Gas ist im normalem Betrieb nicht vorgesehen, kann aber bei Betriebsstörungen auftreten. Durch das Abfackeln des Gases wurden bis Januar 2008 1 Mio. Tonnen CO2 frei. Die dadurch außerdem emittierten 2.200 Tonnen Ruß haben eine zusätzliche Treibhauswirksamkeit wie 3,5 Millionen Tonnen CO2.

Kommentare 18

  • Luluno 9. April 2013, 18:41

    Hei,
    das Bild gefaellt mir. Von dieser Seite habe ich die Anlage nicht so oft gesehen.
    Was den Eskimo und den Urwald angeht møchte ich nur zu bedenken geben, dass mit dieser Anlage Arbeitsplætze enstanden sind, Steuereinkommen fuer die Kommune, eine Perspektive fuer junge Menschen hier zu bleiben und nicht wie ueblich abzuwandern. Es ist wirklich nicht so einfach hier zu ueberleben. Die Touristen lassen hier kein Geld. Sie bestaunen die Natur und møchten das es so bleibt. Aber sie gehen wieder....Ich verstehe die Einwaende gegen diese Anlage, aber vielleicht nocheinmal ueber die wirtschaftliche Bedeutung fuer die Region nachdenken. Immer mehr kleine Gemeinden leiden hier im Norden unter Abwanderung. Das hier ist auch ein Zeichen dafuer hierzubleiben, zu leben, zu wohnen und nicht nur die Ferien zu verbringen.
    Wie schon gesagt, ich kann diesen ersten verstoerenden Blick auf Snøhvit verstehen. Aber nur den Ersten ;-)
    Das Bild ist trotzdem schøn.

    Gruss Lutz
  • Anke Viehl 3. April 2010, 10:39

    Ich hätte mir gewünscht, dass unser Reiseleiter uns Norwegen auch so schön erklärt wie du es mit deinen Fotos machst. Danke für die zweite Reiseleitung und deine schöne Serie.
    LG
    Anke
  • Hans- Ludwig Vogt 30. März 2010, 19:44

    Das Foto ist in diesem nordischen Blau finde ich sehr gelungen.
    Die überaus reichhaltigen Informationen
    lassen mich nachdenklich werden
    über den Preis des Wohlstands der europäischen Zivilisation.
    LG. Hans

    über den Preis des Wohlstands der Europäischen Zivilisation.
    LG. Hans
  • Wolfgang Vahrenholt 30. März 2010, 13:05

    Eine Aufnahme, die zum Nachdenken anregen soll. Aber was sollen wir machen, ohne Gas?
    Wollen wir frieren oder unsere Wälder weiter abholzen?
    Als ich mit der Staatsraad Lehmkuhl nach Norwegen gesegelt sind, kamen wir in Höhe von den Orkneyinseln an riesigen norwegischen Oelfeldern vorbei, das war auch sehr beeindruckend, und trotzdem sind wir davon abhängig.
    LG Wolfgang
  • Andreas Hinzer 29. März 2010, 18:23

    Sehr schöner Vergleich mit dem Eskimo und dem Urwald ;-)
    ++++
    LG Andreas
  • Alfred Held 29. März 2010, 11:57

    Dein Foto und der Begleittext geben Aufschlüsse die kaum bekannt sind

    In dem Wissen , dass solche Aufnahmen sehr schwierig sind (das fahrende Schiff und die etwas länger Belichtung ) muss ich dir Lob zollen
    Ich habe es vor einigen Tagen an gleicher Stelle versucht, es ist nicht 100% geworden
    Saubere Bild- und Textarbeit
    Gruß Alfred
  • Valdy 29. März 2010, 7:42

    allein dieses blau zieht mich magisch an!!!
    wie schön muss das live zu erleben sein!!!

    gvlg Valdy
  • JOKIST 28. März 2010, 22:33

    Eine wunderbare Aufnahme ! ! ! !

    LG Ingrid und Hans
  • Wolfgang Honzejk 28. März 2010, 20:10

    klasse bild!
    lg wolfgang
  • markus.m 28. März 2010, 18:50

    mega+++ lg.markus
  • † Dieter Uhlig. 28. März 2010, 15:27

    interessant
  • Ulf Brömmelhörster 28. März 2010, 14:14

    Passend oder nicht passend. Der Mensch lebt nicht allein von Luft und Liebe. Ohne die Mineralölindustrie wären z.B. auch Reisen in diese Gebiete nicht möglich.
    Aber auch als Motiv finde ich diese petrochemische Anlage beeinduckend. LG, Ulf
  • Harry H. Zimmermann 28. März 2010, 12:40

    tolles Bild, aber noch besserer Text
    Gruß Harry
  • Peter Härlein 28. März 2010, 11:30

    Das Bild zur Blauen Stunde gefällt mir.
    Deine Skepsis teile ich zum Teil. Jedoch ist es mir allemal lieber die Norweger haben die Hand am Gashahn als die Russen. Zumal diese auch ihren Reichtum unters gemeine Volk bringen.
    Bei der globalen Erwärmung habe ich nach dem, und auch dem letzten, Winter, momentan meine Zweifel. In den Medien ist es zur Zeit auch recht ruhig um dieses Thema. Ich denke nach den ersten warmen Frühlingstagen erwachen die Erwärmungstheoretiker wieder aus ihrem Winterschlaf und beglücken uns mit neuen schrecklichen Szenarien.
    Gruß, Peter
  • Klacky 28. März 2010, 10:37

    Trotz Deiner Zweifel ist es ein schönes Bild, auch wenn es etwas nachdenklich stimmt.
    Doch daran kommen wir nicht vorbei.
    Ich genieße lieber das Bild.
    Gruß,
    Klacky
    bei dem es schon kräftig blüht.