Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Männliche Melancholie

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Männliche Melancholie


Das waren noch Zeiten, als die Freundin große gepunktete Slips trug, welche je nach Punktesystem wirklich aufregend waren, anstatt schwarze durch Boutiquenparfüm gezogene Stringtangas. Die Freundin trennte sich auch nicht gleich, wenn man den Kaffee versalzen fand und ihn dann aus Empörung über ihre Rüschenbluse goss. Er war ja eh kalt. Auch wenn man aus Jux und Dollerei der Nachbarin Dessous in den Briefschlitz stopfte, teurere als jene, die man der Freundin zum Namenstag geschenkt hatte, war das noch keine Katastrophe. Meine Freundin hieß nämlich Heike, oder Heidi, oder Heinrich. Jedenfalls waren alle drei so ähnlich. Aber ja, das waren noch Zeiten.

Irgendwann ging die alarmierende Nachricht im Ort rum, dass unser Grundschullehrer Herr Hansen den Spaß am Züchtigen seines ihm anvertrauten Neffen verloren habe. Dabei hatte er immer sehr gerne und sorgfältig gezüchtigt. Auch fremde Kinder außerhalb des Schulbetriebes und auch durchaus ältere Leute, wenn sie beim überqueren der Straße zu langsam waren. Dann stieg er schon mal aus seinem gut gepflegten Opel Kapitän aus, nahm in aller Ruhe seinen Hut ab und legte ihn auf die Motorhaube. Und plötzlich konnte der alte Mann zügig den Weg freimachen. Das System funktionierte nämlich damals.

Es war dann eine Frage der Zeit, bis Herr Hansen wie eine Primel eingehen würde. Das war exakt der Moment, als das Leben begann bitter zu schmecken. Beim Schlammringen sah man keine Arbeitskolleginnen mehr auf der Bühne, welche noch Mann und Kind beim Veranstaltungshort abgegeben hatten. Eben ganz normal und sittsam alles. Heute treten da nur noch gecastete Models mit Mangacomicfiguren auf und der Schlamm ist auch nicht echt, sondern ein Pflegeprodukt eines französischen Schaumschlagdesigners.

Es gibt keine Frikadelle mit Senf mehr zum Frühstück, sondern nur noch Putenstreifen im Salat zum Abendbrot, von Tieren, welche zum vegetarischen Lebenswandel gezwungen wurden.

24. März 2010

Labskausgeschichten nicht nur für die Küche
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Matthias von Schramm

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