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Fressen und gefressen werden

Fressen und gefressen werden

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Ulrich Kirschbaum


kostenloses Benutzerkonto, Mittelhessen

Fressen und gefressen werden

Zwischen der Schwärzlichen Warzenflechte (Verrucaria nigrescens), die ich auf Kalkgestein in N-Zypern gesammelt hatte, fand sich bei näherem Hinsehen eine schwarzweiß gebänderte Kruste, die ich noch nie gesehen hatte. Nach langwierigen Bestimmungsversuchen bin ich schließlich bei Placopyrenium fuscellum (Braune Zebraflechte) gelandet, eine Art, die auch hier in Mitteleuropa vorkommt. Laut Literatur parasitiert sie auf anderen Flechten (bevorzugt auf Verrucaria nigrescens). Wie man sieht, hat sie sich zwischen den Areolen (kleine, abgegrenzten Arealen) häuslich eingerichtet und ernährt sich ungeniert von ihrem braunschwarzen Wirt … das kennt man ja von vielen Pilzen.
Schaut man aber noch genauer hin, so entdeckt man, dass sich von oben noch eine weitere Art einmischt; es ist die orangefarbene Variospora aurantia (Orangeroter Schönfleck). Ob sie nur den Parasiten überwuchert (oder aber sich ihrerseits von ihm ernährt), war anhand der Fachliteratur nicht auszumachen. Immerhin ist eine Areole des Parasiten aber bereits zerstört und herausgefallen – was für den Rest sicher nichts Gutes bedeutet.
Wie man daraus lernen kann, spielen sich solche Dramen nicht nur im Tierreich ab, sondern finden – ganz unscheinbar (und daher meist übersehen) – auch im ganz Kleinen statt.
Stack aus 17 Bildern mit dem Lupenobjektiv von Canon.

Kommentare 10

  • sARTorio anna-dora 19. Januar 2017, 9:37

    Eine wirklich beeindruckende und fantastische Aufnahme! Die Erklärung dazu zeigt wieder, wie wenig man eigentlich von diesen Zusammenhängen noch weiss und deine Funde und Entdeckungen sind hier wirklich beachtenswert, Ulrich!
    Herzliche Grüsse und vielen Dank für deine tolle Arbeit. Anna-Dora
  • Joachim Kretschmer 17. Januar 2017, 19:47

    . . . . das ist ja echt winzig, Du hast doch nicht etwa ein Lupenobjektiv angeschafft . . . Die Miniaturen bieten viel Neues, Interessantes und sind fast wie eigene Welten zu betrachten . . .
    Viele Grüße sendet Joachim.
    Ps.: Danke für Deine fachliche Ergänzung, interessant zu lesen . . .
  • MykoPeter 17. Januar 2017, 15:17

    Ein hinsichtlich Aufnahmequalität und Information ganz unglaubliches Bild! Der Messbalken lässt erahnen, was man unter der Lupe im Gelände wahrnehmen kann. Unter solchen Bedingungen den Zusammenhang herzustellen, dass hier eine Art eine andere parasitiert, setzt ganz sicher jahrzehntelange Erfahrung voraus. Ich bin tief beeindruckt!
    Viele Grüße - Peter
  • Maria J. 16. Januar 2017, 12:26

    Farben, Muster und Bildaufbau fallen hier zuerst ins Auge.
    Dann folgt das Wunder der Grössenangabe ... und der Schärfe ...!
    Dass es auch unter Flechten Parasiten gibt, höre ich hier zum ersten Mal.
    Ich dachte sie ernähren sich nur aus der Luft ..?
    Na, ich habe es ohnehin aufgegeben, die Flechten irgendwann einmal zu durchschauen .. ;-)
    Die Aufnahme ist vorzüglich ... die Geschichte dazu ist spannend.
    Als Schlagwörter solltest du noch "Pilzecke" und "Flechtenecke" eingeben.
    Dort findest du noch einige Gleichgesinnte – und sie finden dich ... ;-)
    LG Maria
  • Wolfgang Zeiselmair 14. Januar 2017, 11:54

    mit so einem Lupi würde ich auch gerne einmal losziehen. Da gibt es technisch aber auch gar nix zu meckern.
    Servus
    Wolfgang
  • Ulrich Kirschbaum 13. Januar 2017, 22:41

    @Conny, solche Bilder von Dir habe ich gesehen (und bewundert). Mir ist das Mitschleppen der schweren Ausrüstung beim Wandern zu mühsam und ich traue mir auch im Gelände eine akzeptable Lichtführung (beim dem geringen Abstand zwischen Frontlinse und Objekt) nicht so recht zu.
    mfg Ulrich
  • Conny Wermke 13. Januar 2017, 21:56

    @Ulrich, danke für die Info. Dank life view und langen Stativnägeln kann man mit Lupi auch im Gelände durchaus gute Ergebnisse erzielen, auch im Massstab 5 :1, geht wirklich super!

    LG Conny
  • Ulrich Kirschbaum 13. Januar 2017, 19:57

    @Frank, so wie Dir mit den Flechten geht es mir mit den Pilzen: Aus den Augen aus dem Sinn: Als Du vor ca. 1000 Jahren mit mir in der Rhön warst, haben wir die Schwärzliche Warzenflechte auf Kalksteinplatten gefunden und - so weit ich mich erinnere - auch bestimmt. So etwas vergisst man, wenn man es nur einmal gesehen hat. Ich finde es hoch solidarisch, dass Du mich mit diesem Problem (bei mir eben mit Pilzen) nicht allein lässt -:)
    @Conny, solche Makroaufnahmen mache ich nicht im Gelände, sondern zu Hause, mit dem Lupenobjektiv an der alten 40 D.
    mfg Ulrich
  • Conny Wermke 13. Januar 2017, 19:44

    Eine beeindruckende Vorführung aus dem Reich der Flechten. Bei dem Orangenen dachte ich erst an tubifera, ein Schleimpilz, aber Du lehrst mich ja eines besseren.
    Hast Du Lupi an der Olympus?

    LG Conny
  • Frank Moser 13. Januar 2017, 13:24

    Im Vorschaubild glaubte ich einen etwas lädierten Feuersalamander zu sehen, aber zum Glück ist es doch nicht so dramatisch.:-)
    Keine der Flechten, die Du hier zeigst, habe ich bisher (bewußt) gesehen, wobei ich finde, dass sie farblich und auch von den Strukturen her sehr ansehenswert und interessant sind - genau wie Deine umfangreiche Information zum Bild. Lupenobjektiv und Stacking bieten Dir ganz offensichtlich noch bessere Möglichkeiten, Anderen die Flechten näher zu bringen!

    Gruß,
    Frank.