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Reichsbahnausbesserungswerk XIV

Reichsbahnausbesserungswerk XIV

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blind lense


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Reichsbahnausbesserungswerk XIV

Man nehme...

jede Hausfrau, die jemals ein Kochbuch in der Hand hatte (das soll auch bei Männern vorkommen), kennt diesen Satz. Henriette Davidis, die Verfaßerin des bekanntesten deutschen Kochbuches prägte in ihrem Werk diese Worte. Nun was hat die Dame mit der Eisenbahn zu tun? Nicht viel, außer das ihr Geburtshaus dem Bau der Eisenbahnlinie Witten – Schwelm ( - Wuppertal) zum Opfer fiel und das dieser besagte Satz eine Rolle für das folgende spielt.

Wir sind noch mit der Aufarbeitung des Tenders beschäftigt. Über die Verbindung zwischen Lok und Tender ist ja schon einiges gesagt worden. Gehen wir nun etwas ins Detail. Man kann sich gut vorstellen, dass die Verbindungsteile enorme Kräfte aufnehmen müssen. Da ist es normal, wenn sie verschleißen. Um diesen Verschleiß möglichst klein zu halten, werden schwierig zu fertigende Teile gehärtet, andere dagegen nicht. So ein Hauptkuppeleisen ist allein durch seine Größe und Gewicht äußerst unhandlich. Darum ist er durch das Schmieden schon so widerstandsfähig, dass man hier nichts unternehmen muß. Dar Kuppelbolzen ist nur geringfügig leichter, also wird er auch oberflächengehärtet. Die Köcher im Tender, wo der Bolzen eingesteckt wird sollen dagegen nicht verschleißen. Aber das ist eigentlich unausweichlich, darum sind hier Buchsen eingepresst, die verschleißen dürfen und sie müssen bei Erreichen von 6 mm Spiel erneuert werden. Mit 4 Millimetern war dieses Maß noch nicht erreicht, aber das Urspiel von 1 mm war längst überschritten, so dass die Buchse getauscht werden sollte.

Nun ist so eine Buchse in das Tenderblech eingepresst, damit sich auch ohne Schlabbern sitzt. Wie kriegt man nun diese Buchse raus? Man nehme...

Und damit fängt das Dilemma an. Genau das Teil, was man dafür nehmen wollte, stand dummerweise nicht zur Verfügung. Zum einen passte der Hydraulikzylinder von der Höhe nicht und zum anderen hatte die Pumpe einen Defekt am Rückschlagventil. Was also tun? Da erinnerte ich mich an eine Arbeit, die ich vor Jahren an der 74 1192 ausführte. Da war eine kleine Buchse im Rahmen, die ich nicht herausbekam . Alles Schlagen mit entsprechendem Werkzeug brachte mich nicht weiter. Bis ich auf den Gedanken kam, in die Buchse einfach einen Spalt zu sägen. Also nahm ich ein Sägeblatt umspannte es mit Putzlappen und fiedelte was das Zeug hielt. Ein alter Lokschlosser sah mir zu und meinte, das geht leichter. Er beschrieb mir das Verfahren und ich probierte es aus. Was soll ich sagen, es funktionierte. Ich war sprachlos. Nun dann wollen wir dieses, „man nehme, wenn man nicht hat“ auch hier ausprobieren.

Ein Brenner mit einer passenden Spitze wird gezündet und die Buchse von innen erhitzt. Es muß nicht bis zwingend bis dunklen Rotglut gehen, aber die Hitze sollte möglichst gleichmäßig eingebracht werden (1). Hat man das Material auf die erforderliche Temperatur gebracht, nimmt man einfach einen möglichst gut saugenden Stofflappen und taucht ihn in Wasser. Den gut getränkten Lappen passt man nun in die Öffnung (2). Vorsicht Verbrühungsgefahr! Durch diesen Abschreckungsprozeß schrumpft die Buchse stärker als das umklammernde Material und sie kann problemlos heraus geholt werden. Bei uns genügten einige sanfte Schläge mit einem Hammer und Durchtreiber (3 und 4). Müßig zu sagen, dass die zweite Buchse genau so leicht entfernt wurde. Der alte Lokschlosser sagte mir damals, dass man so eine Buchse mit einem nassen Lappen raus ziehen kann. Für die kleinen Buchsen stimmt es tatsächlich.

Wie man sieht, ein Rezept kann durchaus variiert werden.

Kommentare 3

  • Andreas Pe 21. Januar 2012, 10:34

    Mit jedem Deiner Bilder aus dem RAW wird man etwas klüger und lernt die Arbeit der engagierten Vereinsmitglieder schätzen.
    VG Andreas
  • Dieter Jüngling 20. Januar 2012, 11:40

    Wieder was dazu gelernt. Gute und vor allem begreifbare Beschreibung.
    Gruß D. J.