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Isolas Ansichten: Fast vergessene Geheimwissenschaften

Isolas Ansichten: Fast vergessene Geheimwissenschaften

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Michael Weyl


kostenloses Benutzerkonto, Niederdreisbach

Isolas Ansichten: Fast vergessene Geheimwissenschaften

Hallo Ihr Lieben, ich bin es wieder, Eure Isola!

Sommer, alles ist grün, bunt und sonnenumflutet. Das ideale Wetter für schöne Bilder in Schwarz und Weiß. Ja, so muß das Leben eines guten Fotoapparates sein. Immer schöne Bilder, immer ein wenig extravagant, immer ein besonderes Bilderlebnis im Bauch, so gefällt es uns Präzisionsgeräten der alten Schule.

Ach wie schön ist es, wieder mit meinem Menschen durch die Felder zu ziehen und all die Sachen in meinem Bauch einzufangen, die sich als Erinnerungsstück lohnen.
Erinnerung ist sowieso die treibende Kraft der Fotografie.
Als mein Mensch mich vor einem Jahr nach einem langen Dornröschenschlaf wieder zum Leben erweckte, da war ich – mit all meinen Fähigkeiten – bereit für unvergänglich wertvolle Kunst. Aber ach und weh, damals kannte ich Kurtchen und seine Kollegen noch nicht.
Jetzt ist ein Jahr vergangen, ich habe die Erzählungen vernommen, bei denen sich Kurtchen vor lauter Kunstbeflissenheit auf dem Teppich einer Galerie übergeben musste, habe die Filtermanie erlebt, durfte Fotogeräte kennenlernen, die einem Herzmedikament nahe stehen, auf den Namen Digitalis hören und dabei dem Fotograf alle Entscheidungsfragen mit Motivklingel und eingebautem Fotolabor abnehmen. Es war ein spannendes Jahr, aber mittlerweile langweilt mich dieses Leben zwischen all den scheinbar so perfekten Ausgeburten der unrealen Realität.

Vor wenigen Tagen habe ich sogar vernommen, dass ein japanischer Hersteller von Digitalsgeräten eine spezielle Kamera mit Fotowettbewerbsausstattung anbietet. Mein Mensch hat mir erzählt, dass so ein elektrisches Netz um die Welt läuft, jeder seine Bilder in das Stromkabel stellen kann, überall Steckdosen da sind, die dann das Bild zeigen und jeder Steckdosenbesitzer kann das Bild mit einem Plus oder Minus bewerten.
Ich glaube, so ähnlich war das irgendwie – aber ich schweife ab.
Jedenfalls ist die Fotowettbewerbsausstattung inklusive einer 9mm-Kugel, eingeschweißt in einem Plastiktütchen, auf dem soll angeblich stehen, „Wenn es beim fünften Wettbewerb noch immer nicht zum ersten Platz gereicht hat, können Sie sich diese Kugel zwischen die Augen drücken“.
Ich hoffe, da ist noch ein Beipackzettel dabei, der darauf hinweist, dass Dinge dieser Art auf jeden Fall desinfiziert werden müssen, bevor sie unter die Haut gedrückt werden. Sonst gibt es eine Blutvergiftung und Fotografie sollte nicht die Gesundheit beeinträchtigen – denke ich jedenfalls.

So eine alte Dame wie ich, hat es in der modernen Welt reichlich schwer. Manchmal denke ich, da finde ich mich alleine nicht mehr zurecht. Aber auch mein Mensch hat da erhebliche Probleme. Das durfte ich erst heute Vormittag feststellen.
Da für meinen Bauch die Filme knapp geworden sind, hat mein Mensch das Kurtchen gebeten einen Rollfilm vom Fotohändler mitzubringen. Meine Güte, jeder weiß doch was ein Rollfilm ist und Kurtchen geht sowieso jeden Nachmittag zum Fotohändler, damit er keinen Neuigkeit auf dem Markt der Digitalis verpasst.
Nun ja, das Drama begann also Vorgestern.
Mein Mensch: Kurtchen, kannst Du mir bitte einen Rollfilm mitbringen?
Kurtchen: Ja!
Mein Mensch: Wenn es geht, einen Kodak, 18 DIN.
Kurtchen: DIEN??????
Mein Mensch: DIN! Kommt von Deutsche Industrie No…
Kurtchen: … Schrauben gibt es nach DIN, aber keine Filme!!!
Mein Mensch: … ok, 100 ISO …
Kurtchen: … waaaas???
Mein Mensch: ASA …
Kurtchen: … was nu …
Mein Mensch: 100 ASA.
Kurtchen: Hoffentlich weißt DU jetzt, was DU willst. Mach mir keine Vorwürfe, wenn es falsch ist!

Abgang – Ende erster Akt.
Der Tag danach. Telefon klingelt.
Mein Mensch: Hallo? (am anderen Ende der Leitung ist Kurtchen)
Kurtchen: Ich bin beim Fotohändler!
Mein Mensch: Prima, was gibt es Neues?
Kurtchen: Hab noch keine Zeit gehabt … nur wegen Deinem Film. 24 oder 36 Aufnahmen?
Mein Mensch: Kurtchen, nein, kein Kleinbild! Einfach Rollfilm! Entweder 120er oder 220er!
Kurtchen: Ach so! Alles klar, hättest DU doch gleich sagen können! (legt auf)

Ende zweiter Akt.
Der Tag danach – also heute Vormittag. Tatort Wohnungstür.
Kurtchen: Hab keine Zeit, hier der Film (er überreicht 4 flache aber dicke Dose)
Mein Mensch: Was ist das?
Kurtchen: … gerollter Film …
Mein Mensch: … hääää?
Kurtchen: 110 oder 120 Meter hatten sie nicht gehabt, da hab ich Dir vier Dosen mit jeweils 30,5 Meter mitgebracht (in diesem Moment bricht mein Mensch zusammen und bleibt röchelnd liegen).


Kurtchen hat sich trotz seines Zeitproblems noch liebevoll um meinen Menschen gekümmert, wollte sogar etwas gutes tun und hat sich ins Wohnzimmer gesetzt, meinen Rücken geöffnet – zum Glück war mein Bauch leer – konnte ohne Brille nicht richtig sehen und hat deshalb noch die Deckenlampe angeschaltet, mit schnellem Griff eine Dose mit gerolltem Film geöffnet und versucht 30 Meter Kleinbildfilm in mich zu stopfen. Zum Glück passen in mich, als ausgewachsene 6x6-Kamera, schadlos einige Meter. Aber Kurtchen gab nach 20 Meter auf. Mehr ging auch mit Gewaltanwendung nicht in mich. Er murmelte: „… da muß ein Trick dabei sein“.
Ach ja, sicher wird sich mein Mensch bald wieder erholt haben und die vielen Meter deckenlampenbelichteten Film aus meinem Bauch ziehen. Wäre ich Mensch, würde ich jetzt einen gewaltigen Rülpser tun.


So, jetzt leg ich mich wieder hin, macht es gut, bis demnächst, Eure Isola!


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(7)

Kommentare 3

  • Michael Weyl 25. Juli 2006, 18:32

    @Butow
    ... ganz große Geheimwissenschaft ;-) Isola hat eine Delle am Weiterdrehrädchen, das erleichtert das "blinde" weiterdrehen. Aber selbstverständlich war das mit dem 220er nur ein kleiner Text-Reizer. *zwinker*

    @Anke
    Im Herbst erscheint tatsächlich ein Buch mit Bildern und Texten von mir. Und vielleicht wird aus der Isola auch ein Buch. Interessenten gibt es ja schon.

    @Aebby
    Ja, ja, es gibt auch ernste Geschichten der Isola, wie diese hier mit Schmerz und Leid *grins*

    @Butow nochmal
    Der Griffel ist ein wenig eingerostet ... es wrid aber wieder ...

    Viele Grüße, Michael
  • Anke M. 25. Juli 2006, 17:52

    du solltest Bücher schreiben .. das Bild fasziniert mich
    LG Amelie
  • Butow Maler 25. Juli 2006, 17:31

    Liebe Isola, das ist doch schön, mal wieder
    was von Dir zu lesen. Es klingt noch ein wenig
    hölzern, aber ich denke da kommst Du schnell
    wieder rein in die Schreiberei.

    Nur lass Dich bitte auch nicht von Deinem Herrchen
    mit 220er-Filmen füttern. Die tun Dir nämlich genausowenig gut.
    Sag Deinem Herrchen mal, dass Du hinten ein kleines
    Fenster im Rücken hast und durch das kommt dann
    nämlich Licht auf Deine Bilder, was es eigentlich nicht
    sollte. Klar: Dein Herrchen kann das auch zukleben,
    aber dann weiss er nicht mehr, wie weit er weiterspulen muss ...