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Dann geht er und schließt die Tür !

Dann geht er und schließt die Tür !

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Christian Drackert


kostenloses Benutzerkonto, Egelsbach

Dann geht er und schließt die Tür !

Ein Mann vom Land will Zutritt zum Gesetz haben. Um diesen Zutritt allerdings zu erhalten muss er vorher eine Tür passieren, die von einem Türhüter bewacht wird. Die Tür stellt also sozusagen den Zugang, den Schlüssel zum Wissen über das Gesetz dar.
Jedoch verweigert der Türhüter dem Mann vom Lande den Zutritt. Gleichzeitig gibt er aber auch an, dass der Mann möglicherweise einmal passieren dürfe. Das könne man jetzt noch nicht mit Gewissheit sagen. Natürlich könnte dieser auch einfach versuchen, ohne Erlaubnis durch die Tür zu gehen. Er, der Türhüter, sei aber mächtig. Mehr noch: Direkt nach ihm würden mehrere weitere Türhüter folgen, die alle noch mächtiger seien als er und an denen der Mann ebenfalls erstmal vorbeikommen müsse, um zum Gesetz zu gelangen. Schon der Anblick des dritten Türhüters sei kaum mehr zu ertragen. Er selbst stehe in der Hierarchie nur ganz unten.

Der Mann ist enttäuscht von dieser ungerechten Behandlung, will aber dennoch nicht aufgeben. Der Türhüter gibt dem Mann einen Schemel und lässt ihn seitwärts vom Tor sich niedersetzen. Der Mann beginnt zu warten. Tage, Monate, Jahre. Immer wieder bettelt er um Einlass und versucht, den Türhüter zu bestechen. Die Geschenke nimmt der mächtige Mann zwar an, er tue dies aber nur, damit der Mann vom Lande nicht glaubt, etwas versäumt zu haben. Einige Male stellt der Türhüter Fragen, aber diese bleiben immer oberflächlich.

Doch der Mann vom Lande wartet weiter. Er vergisst, dass seine Reise auch nach diesem Türhüter noch lange nicht beendet wäre. Weitere Türen, mit mächtigeren Hütern würden folgen. Dennoch sieht er nur noch diesen einen. Diesen einen Mann, der ihm im Weg steht. Er konzentriert sich so sehr auf ihn, dass er sogar die Flöhe in dessen Pelz erkennen kann. Verzweifelt bittet er selbst diese um Hilfe.

Der Mann wartet weiter. Sein Verhalten wird immer mehr von Verzweiflung geprägt. Er wird erst kindisch, dann ruhiger, währenddessen immer älter. Seine Augen versagen langsam den Dienst und er bekommt Schwierigkeiten damit, das Licht zu sehen. Eine merkwürdige Dunkelheit umgibt ihn. Nur hinter der Tür scheint das Licht hell zu leuchten. Seine Knochen werden müder und es wirkt, als wäre der Türhüter mit der Zeit immer größer und größer geworden. Auch sein Gehör wird schlecht. Man muss ihn inzwischen anschreien, damit er überhaupt noch etwas hört.

Kurz vor seinem Tod will er eine letzte Frage stellen: Alle streben nach dem Gesetz (...) wieso kommt es dann, dass in den vielen Jahren niemand außer mir Einlass verlangt hat ? Der Türhüter gibt nur als Antwort:

Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt.

Dann geht er und schließt die Tür.

* Türhüterlegende aus Franz Kafkas "Der Prozess"

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