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Schoengeist


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Verborgen

Unterwegs mit einer sympathischen Truppe über den Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. Danke, dass ich dabei sein konnte.
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„Mutter ist fort gegangen, als wir noch klein waren. Das hat Vater immer gesagt, wenn ich mal nachgefragt habe, wer denn unsere Mutter gewesen ist.“
Luise drehte sich zu ihrem Bruder um, der stumm die große Standuhr vor ihm anschaute. Er nickte nachdenklich.
Ihr Blick schweifte durch das Wohnzimmer. Überall waren weiße Laken auf die Möbel gelegt worden, um sie vor Verschmutzungen zu schützen.
„Ich habe mich immer gewundert, warum er kein Bild von ihr hatte, aber vielleicht ist sein Herz ja gebrochen, als sie uns verließ….
Ulrich blickte seine Schwester an.
„Er hat nie viel von ihr gesprochen, niemand weiß, was aus ihr geworden ist. Manchmal glaube ich, wir hatten gar keine Mutter, aber das ist natürlich Unsinn.“ Er schüttelte den Kopf, um die Unmöglichkeit dieser These zu unterstreichen.
Beide nahmen das große Laken und legten es über die Standuhr.
Fein säuberlich rafften sie es bis zum Boden, damit auch alle Seiten davon bedeckt waren.
„Erinnerst Du Dich an ihre Melodie?“
Ulrich zuckte mit den Schultern.
„Nein, nicht mehr, es ist zu lange her.“
„Es ist schon merkwürdig, sie blieb stehen, als Mutter verschwand.“
Beide gingen ein paar Schritte zurück.
„Wer wird wohl die Möbel nehmen, wenn das Haus verkauft ist?“
Ulrich sah sich um.
„Nun, irgendjemand wird sich finden, es sind gute Möbel.“
Luise strich mit ihrer Hand über die bedeckte Rückenlehne des Sessels.
„Hier hat er immer gerne drin gesessen und seine Zeitung gelesen.“
„Ich frage mich, was mit ihm in den letzten Jahren passiert ist, ich habe ihn lange nicht mehr gesehen.“
Luises Blick wurde traurig.
„Er lebte alleine, ganz alleine hier in diesem großen, alten Haus. Sein Arzt sagte mir, sein Verstand hätte sich getrübt, er habe Selbstgespräche geführt, sei zunehmend ängstlich geworden und habe sich teils über mehrere Tage eingeschlossen und niemanden zu sich herein gelassen…. Nachbarn behaupten, er habe mal von einem Geist gesprochen, der ihn in den letzten Jahren heimgesucht haben soll.“ Sie zog ihre Schultern hoch, als ob sie fror.
„Manche flüstern hinter vorgehaltener Hand, er habe seinen Verstand verloren, seit Mutter nicht mehr bei ihm ist“, fügte sie in einem leisen Ton hinzu.
Ein Windhauch ließ einen der Vorhänge vor dem offenen Fenster aufbauschen, bis er gleich wieder wie ein weißer Schatten zusammen fiel.
„Wo sagtest Du, hat man ihn gefunden?“ Seine Frage klang nicht wirklich so, als ob er es nicht wusste, sie klang eher danach, eine Bestätigung seines Wissens zu erhalten.
„Im Keller“, antworte Luise bedrückt,“er wird wohl gestürzt sein, meinte der Arzt.“
Ulrich schritt langsam auf die Tür zu, die in den Keller führte. Er blieb davor stehen und zog die Luft ein, als ob er den Geruch dieses Raumes in sich aufnehmen wollte.
„Im Keller…“, murmelte er, wie zur Bestätigung. Seine Hand umfasste die Klinke, die sich kühl und schwer anfühlte. Hunderte Jahre schwer.
„Weißt Du, was ich merkwürdig finde?“
Luises Worte lenkten ihn ab. Er drehte sich zu ihr um und runzelte fragend die Stirn.
„Als ich seine Kleidung verpackt habe, da war auch noch Mutters Schrank, es schien alles da zu sein…“
„…da zu sein…?“ wiederholte er irritiert.
„Ja, als ob sie nie gegangen wäre, nur etwas Unterwäsche, ein Paar Schuhe und ihre langes, weißes Kleid, das Sonntagskleid fehlt.“
„Das ist wahrlich merkwürdig, nur mit dem, was sie am Leib trug ist sie fort?“
„Vater hat niemanden mehr ins Umkleidezimmer gelassen, als er alleine war. Er hat extra ein Schloss an der Tür angebracht.“
Ulrich ließ von der Kellertür ab. Er war damals früh aus dem Haus gegangen, er hatte nach der Schule Arbeit in einer anderen Stadt gefunden und sich dort eine Wohnung genommen. Erst seit Vater gestorben war, hatte er wieder Kontakt zu seiner Schwester aufgenommen, damit beide den Nachlass abwickeln konnten. Es war sonst niemand mehr da.
Ulrich ging an seiner Schwester vorbei und stieg die Treppe empor. Als wollten die alten Stufen ihn vor etwas warnen, knarzten und knarrten sie vernehmlich.
„Ulrich?“ Luises Stimme klang dünn.
Er stieg weiter hinauf und blieb vor dem Ankleidezimmer stehen.
„Ulrich? Was hast Du vor?“ Luise folgte ihrem Bruder in den ersten Stock des Hauses.
Er sah sie kurz an.
„Ich weiß nicht, irgendwie…. alles klingt so komisch…“
Er sah das Schloss, welches lose am Bügel hing, die Schliessfalle zur Seite geklappt. Die Tür stand einen Spalt breit offen, und er drückte sie soweit auf, dass er einen Blick in den angrenzenden Raum werfen konnte. Der dunkle Vorhang schluckte viel vom Tageslicht und so mussten sich seine Augen erst an die Lichtverhältnisse gewöhnen. Er betrat das Zimmer und begab sich zum Fenster. Mit einem Ruck zog es den Vorhang beiseite, so dass das trübe Herbstlicht in den Raum fallen konnte. Luise stand wie angewurzelt im Türrahmen und beobachtete ihren Bruder.
Dieser schaute sich um. Da waren sie, die Holzschränke, aus dunkel gebeizter Eiche, fein verziert mit zahlreichen Details. Das kleine Tischchen, der Stuhl, die Öllampe, eine große Kommode direkt an der Innenmauer. Die Türen der Schränke standen offen, leere Rachen gähnten Ulrich entgegen. Die Tischdecke schien frisch gereinigt zu sein. Alles war so, wie es in einem solchen Raum sein sollte.
„Nur die Kleidung, sonst war nichts mehr von Mutter hier?“ Ulrich sah sich immer noch um, als ob er glaubte, etwas übersehen zu haben.
„Nur ihre Kleidung, ja“, antwortete Luise.
Er wanderte im Zimmer umher und als er auf der gegenüberliegenden Seite angekommen war, sein Blick sich auf die Kommode richtete, da meinte er, etwas…
Er bückte sich und versuchte in das Halbdunkle unter der Kommode zu sehen.
„Ulrich, was ist?“ Luise folgte seinem Blick, konnte aber von ihrem Punkt aus nichts erkennen.
Er ging näher an die Kommode heran, der Geruch des Holzes stieg in seine Nase. Er kniete sich vor ihr hin und steckte eine Hand darunter, tastete von der einen Seite zur anderen und versuchte es dann in der Tiefe.
„Da war doch…“
Luise traute sich nicht hinein.
Seine Finger spürten plötzlich etwas.
„Was hast Du?“
Ulrich griff nach seinem Fund.
„Dir muss da etwas herunter gefallen sein, als Du die Schränke ausgeräumt hast…“
Er zog daran, doch es war wie festgenagelt. Er griff fester zu und legte mehr Kraft in seinen Zug, doch außer, dass sich das, was er festhielt, etwas dehnte geschah nichts.
„Luise, bitte, hilf mir mal....“, ächzte Ulrich, als er aufstand und an der schweren Kommode zog.
Luise kam zu ihm, das Gesicht in besorgte Stirnfalten gelegt und fasste am Rand des Möbelstücks mit an.
„Hier rüber...“, dirigierte ihr Bruder und beide stemmten sich gegen diese Trutzburg aus Holz und eisernen Beschlägen.
„Was hast Du denn?“, fragte Luise ihren Bruder erregt und etwas außer Atem. Die Kommode ruckte ein Stück nach vorne. Ihre Beine schienen sich in die Dielen zu krallen.
Es ruckelte laut, als wieder ein Stückchen geschafft war.
Ulrich hielt inne.
„Sieh!“, rief er, und Luises Kopfhaut spannte sich.
Dort, wohin der Finger ihres Bruders zeigte, leuchtete ein heller Farbtupfer vom Boden auf. Ein so heller Tupfer, dass man meinen könnte, er sei weiß. Das Weiß, so könnte man weiterhin behaupten, sei aus so feinem Stoff gewebt, dass es einem feinen, nicht alltäglichem Kleid entstammen könnte.
Beide schluckten. Dann bückte sich Luise und streckte zitternd ihre Hand nach dem aus, was beide vermuteten. Es schlummerte dort unten, wusste Gott, wie lange schon. Noch stand die Kommode zu eng an der Wand und sie musste sich schmal machen, um den Arm in diese Lücke zu bekommen.
„Weiter rechts...“, sagte Ulrich, der von oben zwischen Möbel und Wand blickte.
Dann hatte Luise es in der Hand. Sie zog. Ulrichs Mund war trocken, er leckte sich kurz über seine Lippen. War ihm doch so, als ob dieses feine Stück Stoff..... in der Mauer verschwinden würde!
„Ich schaffe es nicht...“ Luises Stimme klang dünn. Ulrich sprang zwischen Kommode und Mauer an der anderen Ecke und drückte, was seine Arme hergaben. Seine ganze Angst schien ihm plötzlich Kraft zu verleihen, diese Angst, er könnte gleich einem fürchterlichen Geheimnis auf die Spur kommen....
.... ein jämmerliches Schaben und Kratzen, dann rutschte die Kommode in den Raum hinein und gab das Stück Stoff frei, welches wie ein böses Omen unter ihr gewohnt hatte.
Luise schluchzte und griff erneut nach dem Stofffetzen. Ulrich kroch ein kalter Schauer über den Rücken, als er sah, wie dicht das Stückchen an der Wand lag, in die Wand hinein zu ragen schien. Er war augenblicklich nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen, während Luises Finger den Fetzen umschlossen....
... und ihn dann aufhob. Leicht wie eine Feder wirkte er plötzlich, sanft und warm lag er in ihrem Handteller, als sie ihn ihrem Bruder präsentierte. Ein runder Abdruck darauf deutete an, wieso er sich nicht bewegt hatte, ein Fuß der Kommode hatte ihn eingeklemmt.
„Es ist etwas von Mutters Kleid“, meinte Luise mit zitternder Stimme, sie merkte, wie ihr Herz wieder ruhiger schlug., „sie hatte es doch selbst genäht, es ist ein abgeschnittenes Stück....“
Erleichtert fiel Ulrich mit dem Rücken an die Mauer, sie klang hohl, und rutschte langsam daran zu Boden. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und den Wangen.
„Und ich hatte gedacht....“ Beide Geschwister schauten sich an und ein leises, vor Spannung noch ein wenig verkrampftes Lächeln huschte über ihre Gesichter.
„Mutter....“, flüsterte Luise und drückte den Stoff an ihre Brust.

Unten im Wohnzimmer bauschte sich der Vorhang auf, etwas Wind war aufgekommen und drückte durch das offene Fenster. Unter dem Laken an der Wand klickte es leise, ein gedämpftes Klacken, ein eine dünne Kette fuhr durch das Werk, noch ein Klacken, ein leichtes Schaben und das Pendelgewicht der Standuhr fuhr wie von Geisterhand bewegt von der einen Seite zu anderen. Tick-Tack-Tick-Tack-Tick..... und auf einmal erwachte die Uhr wieder zum Leben.......

© Schoengeist

Kommentare 12

  • Ars moriendi 26. März 2011, 10:49

    Ich vermisse immer noch meine Anmerkung*grmpf*
    Die war so gut, aber die Worte bekomme ich einfach nicht mehr zusammen. Mist aber auch!

    Aber so lese ich wenigstens Kathas AM.

    Ich bin ja ein dunkles Seelchen und von daher finde ich diese Bearbeitung gar nicht übel (heißt so viel, wie Affen Ti**en Oberhammer g**l). Es verursacht Gänsehaut-Feeling.
    Was man dem Hirn an Futter damit geben kann...
    ...ich weiß zwar wie diese Schönheit in Wirklichkeit ausschaut, aber wie wäre es denn mit der Vorstellung, dass sich da im Dunkeln ein Knochengerüst befindet?
    Der Tod als Frau.
    Auch nicht übel.

    Also für mich hat dieses Bild definitiv etwas.
  • Schoengeist 22. März 2011, 20:38

    @ Tyria

    Wow, da ist aber jemand.... ja was eigentlich? Nein, den Sack rühre ich nicht an. Das Bild soll tatsächlich so wirken, die Kombination aus Story und Bild ergeben den Sinn des Titels, und wenn Dir das Bild alleine betrachtet diesen von Dir geäußerten Eindruck vermittelt, ist es die gewünschte Richtung, jedoch nicht bis zum Zombie hin, nein, meine Geschichte ist ja auch nicht blutig ;))

    Danke für Deine ehrliche Meinung.

    LG
    Jens
    ________
    Zitat:
    "Okay, da ich jetzt immer noch nix gelesen habe und der Kommentar erwartet wird: dieses Nichts im Gesicht stört. Thema verborgen ist ja schön und gut, aber die Andeutung einer Kontur hätte mir schon gereicht. Auch das Drumherum ist überwiegend schwarz.

    Schärfe, Farbe, Symmetrie...passt alles. Und der Faltenwurf kommt super zur Geltung. Aber sie hat ein so schönes Gesicht - warum verbergen?

    Für mich wirkt es fast gruselig und irgendwie habe ich die Vorstellung mir springt gleich ein Zombie aus dem Schwarz entgegen. Vielleicht ist das ja gewollt.

    Wer's Dark mag kommt hier voll auf seine Kosten. Für alle Bewunderer bildhauerischer Ästhetik fehlt das entscheidende etwas.

    Aber ich muss ja meckern. Wo ich doch bilder mit ausgefressenen Sonnenflecken hochstelle. Nichts für ungut und hiermit überreiche ich dn Sack Steine.

    Die Geschichte les ich aber wenn ich mehr Zeit habe trotzdem noch.

    LG, Katha"
  • Tyria 22. März 2011, 19:59

    Okay, da ich jetzt immer noch nix gelesen habe und der Kommentar erwartet wird: dieses Nichts im Gesicht stört. Thema verborgen ist ja schön und gut, aber die Andeutung einer Kontur hätte mir schon gereicht. Auch das Drumherum ist überwiegend schwarz.

    Schärfe, Farbe, Symmetrie...passt alles. Und der Faltenwurf kommt super zur Geltung. Aber sie hat ein so schönes Gesicht - warum verbergen?

    Für mich wirkt es fast gruselig und irgendwie habe ich die Vorstellung mir springt gleich ein Zombie aus dem Schwarz entgegen. Vielleicht ist das ja gewollt.

    Wer's Dark mag kommt hier voll auf seine Kosten. Für alle Bewunderer bildhauerischer Ästhetik fehlt das entscheidende etwas.

    Aber ich muss ja meckern. Wo ich doch bilder mit ausgefressenen Sonnenflecken hochstelle. Nichts für ungut und hiermit überreiche ich dn Sack Steine.

    Die Geschichte les ich aber wenn ich mehr Zeit habe trotzdem noch.

    LG, Katha
  • Schoengeist 22. März 2011, 12:16

    @ Tyria

    Ich bin immer noch in gespannter Wartehaltung Deiner Kritik. Was wäre, wenn die Geschichte nicht dazu gehören würde?

    LG
    Jens
  • Traumtänzer(in) 22. März 2011, 0:03

    Großartig! Das Bild ist super bearbeitet... so schööön düster... und die Geschichte... nun, ich finde, man sollte sie am besten mitten in der Nacht lesen... ;)
    Wer weiß, vielleicht gibt es bald einen Bildband von Dir... mit Deinen tollen Geschichten... ich bestelle dann hiermit schon mal ein Exemplar...^^
    LG
  • Tyria 21. März 2011, 18:26

    Da die Geschichte offensichtlich dazugehört, vertage ich den Kommentar und schreibe später(wenn ich mehr Zeit habe). Mein Hauptkritikpunkt könnte sich dann in Luft auflösen.

  • Schoengeist 21. März 2011, 13:25

    Hey Namensvetter.

    Und in Wirklichkeit ist sie sooo lieblich ;)) Ach ja, neue Ziele habe ich auch schon, die Liste ist zwar etwas kürzer geworden, aber dennoch hochkarätig.

    LG
    auch Jens
  • Treweg 21. März 2011, 13:15

    Eine Klasse Gesamtkomposition!!!
    Gefällt mir ausserordentlich gut!!
    Aber wieder sehr Dunkel...Grusel,Zitter.......
    LG Jens
  • Schoengeist 21. März 2011, 12:55

    @ Sabine

    Das mit dem Gesicht ist so gewollt, die Skulptur gehört ja zur Geschichte und alles zusammen nennt sich eben "Verborgen". Was der Betrachter und Leser daraus in seinem Kopfkino zaubert, sei im überlassen. So soll es sein. Das Motiv ist freigestellt und ich habe es zentral positioniert, weil es eben nichts weiter zu gucken gibt und der Blick sich alleine mit dieser Figur verbinden soll.

    Flügel hat sie nicht, sie stand mal auf einem Familiengrab und wurde nun, ich vermute, das Grab wurde eingeebnet und man wollte diese schöne Skulptur nicht zu Marmormehl verarbeiten, für die Kindergräber dort umgebettet, wenn ich das Wort mal so benutzen darf.

    Die Nase, ich habe gerade mal die Fotos durch gesehen, wurde repariert, man hat ein Stück eingesetzt. Hatte ich vor Ort gar nicht bemerkt, es stand auch teils gleißendes Sonnenlicht darauf. Aber die heutigen RAW Konverter machen das verdammt gut, schon im Programm hat man davon nichts mehr gesehen.

    An der Bearbeitung habe ich gestern auch den ganzen Abend gesessen, bis es so war, wie ich es mir vorgestellt habe. Diese vielen, vielen Falten.....

    LG
    Jens
  • Sabine Kuhn 21. März 2011, 11:03

    ... eine schauderhaft-schöne Geschichte, lieber Jens, passend dark, die die Situation um diese Statue, die wohl einen flügellosen Engel darstellen soll (?), quasi konterkariert, steht sie doch als Hüterin einer Kinder-Gedenkstätte.

    Genau gegenüber findet sich folgende kleine Marmorskulptur, die ich zu dieser Gesamt-Erinnerungsstätte hinzurechnen würde:
    … gedenkstätte für nicht beerdigte kinder …
    … gedenkstätte für nicht beerdigte kinder …
    Sabine Kuhn

    (Aufnahme aus 1/2002; mit Exifdaten)

    Dieses kleine Werk wurde im September 1999 am Stillen Weg auf Privatinitiative der Lebens- und Trauerbegleiterin Susanne Schniering und mit Unterstützung der katholischen Frauen- und Familienbildungsstätte sowie des Hamburger Abendblattes „Von Mensch zu Mensch“ eingerichtet. Es ist ein Gedenkort (keine Grabstätte!!!) für Frauen und Männer, die ohne sichtbares Zeugnis des Lebens Eltern wurden, die nach Fehl-, Totgeburt oder Schwangerschaftsabbruch von ihrem Kind „Abschied ohne Begrüßung“ nehmen mussten. Am Boden liegt ein Kreis aus weißen Steinen mit persönlichen Abschiedsgrüßen. Die Skulptur aus Marmor stammt von der Schweizer Bildhauerin Beatrice Charen.

    Du hattest offensichtlich Glück, dass kein hohes ewiges Licht unten vor dieser mit reichem Faltenfall gearbeiteten Plastik platziert war. Der Bildhauer hat hier bei diesem sorgfältig detaillierten Werk meines Erachtens "ganze Arbeit" geleistet: das aufwändige Gewand ist sehr präzise mit unzähligen Falten und Raffungen dargestellt, ebenso der Blütenkranz aus Rosen im Haar sowie der gesenkte Palmwedel (die immergrünen Blätter symbolisieren das ewige Leben) und die lange Rosengirlande (als Symbol ewiger Liebe). Eine ähnliche Skulptur habe ich bislang noch nicht gesehen; sie entstammt offensichtlich keiner Massenproduktion wie beispielsweise die Galvano-Engel.

    Einige Zweifel habe ich bzgl. der Zeichen, die im Brustbereich quer im Kleid eingelassen sind.
    Das erste Zeichen scheint ein Christusmonogramm zu sein, das folgende interpretiere ich als ein "Rauten"zeichen.
    Die Raute verkörpert zumeist die quaternitäre Einteilung des Irdischen und des Materiellen. Sie gilt seit dem Altertum als Symbol für die Vulva und Verkörperung des weiblichen, empfangenden Prinzips.
    Gleichzeitig stellt die Raute ein Doppelkreuz dar.
    Es könnte sich aber auch um ein typisches hanseatisches Motiv handeln.
    Wer dazu konkret etwas sagen kann, möge dies doch bitte tun!

    Hinsichtlich der Bildgestaltung bot sich eine andere als die zentrierte Darstellung für dieses Motiv von den Örtlichkeiten her für das Photo offensichtlich nicht an. Den im BG verwendeten dunklen Rotton empfinde ich als angenehm dezent und passend, auch unterstreicht die dunkle, in sich aber kontrast- und zeichnungsreiche Bea die Darstellung der Statue ansprechend.
    Der einzige Kritikpunkt , den ich habe, ist das Gesicht ohne jede Zeichnung ... (ja, ich weiß: die Nase ist wohl noch immer beschädigt). In diesem Bereich hätte ich mir eine leichte, die Gesichtsmerkmale skizzierend stehende Tonung gewünscht.

    Einen guten Start in die neue Woche
    wünscht dir Sabine
  • weisse feder 21. März 2011, 10:22

    ...imposant.. dieses kleid... dieses geheimnisvolle auch, weil man das gesicht nicht sieht.. die mystische hintergrundfarbe... ganz toll... (ps.. den text konnte ich nicht lesen, bin grad in der arbeit;))) ) liebe grüsse. claudia
  • ipunkt 21. März 2011, 8:50

    aber hallo! du schaffst es (m)ein kopfkino in gang zu setzen. bin froh, dass ich deine geschichte gerade bei strahlendem sonnenschein lese...
    lg ina

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