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Story zum Bild - Straße der Hoffnung

Story zum Bild - Straße der Hoffnung

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Story zum Bild - Straße der Hoffnung

Straße der Hoffnung.
Menschen ohne Schaufeln in der Sahara, mit dem Linienbus zwischen Sanddünen eingeschlossen.
Die Fotos, die ich an der "Straße der Hoffnung" in Mauretanien gemacht habe sind 1990 entstanden. Alle natürlich analog, auf Diafilm 24x36mm.
Bizarre Szenen waren da zu erleben.
Dazu hier ein Auszug aus meinen Tagebuchnotizen:
...Nouakschott, Hauptstadt Mauretaniens: Wir, das waren mein Freund Peter und ich, bestiegen einen Bus, der nach Boutilimit fahren sollte, einer Stadt in der mauretanischen Sahara. Die ersten 150 Kilometer einer Straße, die als schwarzes Asphaltband durch die blendend helle Wüste, fast 1200 Kilometer nach Osten bis an die Grenze von Mali führt. Der Himmel war grau bedeckt.
In der Ausgabe Nr. 16/1997 der Zeitschrift „Der Spiegel“ wurde diese Straße, die fast bis an die Grenze von Mali reicht, als „Straße der Hoffnung bezeichnet“. 1990 konnte hier von Hoffnung wirklich keine Rede sein. Über Nacht hatte der Wind Massen von Sand bewegt, der sich als Dünen über die Straße legte. Alltag in der Sahara. Der Busfahrer hatte nicht eine Schaufel im Wagen, um den Weg für den Bus frei machen zu können.
Die bloßen Hände im Sand, stand eine lange Reihe Männer und Frauen an der Straße um diese von Sand zu befreien und für den Bus passierbar zu machen. Ich hatte schon viel gesehen in der Wildnis der Welt. Mit den Händen wurde der Asphalt vom Sand befreit, während der Wind versuchte, die entstandene Rinne wieder mit feinem Wüstensand zu füllen. Irgendwann konnte der Bus weiterfahren. Aber was war das? Wir waren nur wenige Minuten gerollt, da wurde der Bus erneut angehalten. Draußen wehte ein scharfer, kalter Wind. Die Leute aus dem Bus strömten in die sich links und rechts der Straße ausbreitende Sandwüste und warfen sich auf die Knie um nach Mekka gewendet zu beten und ihre Stirn mit Sand zu benetzen. Der Sand stach wie Nadelstiche auf der Haut, sodass wir uns in den Windschatten des Busses zurückzogen.
Ein blauer Bus, verloren in der Weite der Wüste. Es war gegen Mittag und der Bus setzte sich wieder in Bewegung um auch gleich wieder angehalten zu werden. Diesmal waren mein Peter und Ich die Hauptdarsteller in einem bizarren Theater. Wir standen an einem Polizei- oder Militärposten. Der Wind hatte sich zu einem Sandsturm entwickelt, die Sonne war nur noch eine matte, gelbliche Scheibe, die hoch am bräunlichen Himmel stand. Die Soldaten an der Straßensperre machten einen vernachlässigten Eindruck. Abgetragene Uniformen und kaputte Schuhe fielen mir auf. Einer hielt den grünen Reisepass verkehrt herum, blätterte jede Seite um. Als er die Seite mit dem Foto aufschlug, drehte er ihn richtig herum. Wir mussten uns an diesem verlorenen Posten in ein großes, schwarzes Buch einschreiben. Die Beamten waren misstrauisch und die Passagiere im Bus waren bereits ungeduldig und genervt weil es nicht weiter ging. Endlich konnten wir, den Sand aus den Kleidern klopfend wieder in den Bus steigen.
Der Bus fuhr endlich weiter und pflügte durch flache Dünen, die den Asphalt verdeckten. Er schwamm dabei von links nach rechts und wieder zurück. Auf dem Sitz hinter Peter hatte eine uralte, verwahrloste Frau Platz genommen. Sie schien bereits 120 Jahre alt zu sein. Sie war einfach wie aus dem Nichts aus der Wüste aufgetaucht und eingestiegen. Die Alte hatte eine furchtbare Bronchitis, die sich nicht gut anhörte. Wahrscheinlich kam das von dem vielen Staub und den Exkrementen der Tiere und der Menschen, die zu Staub zerfielen und als solche in die Luft gewirbelt wurden um schließlich von den Lungen der Menschen eingesogen zu werden. Vielleicht hatte sie aber einfach nur eine Tuberkulose. Die Frau hustete lautstark und förderte etwas von ganz unten aus den Bronchien herauf. Peter merkte gerade im letzten Moment noch wie eine vertrocknete Hand mit schwarzen Fingernägeln und einer Rotzglocke daran über die zerrissene Sitzlehne nach vorne kam. Noch bevor die Finger sich an Peters Armlehne abstreifen konnten, sprang er auf, sodass sich Leute überrascht umdrehten, um den seltsamen Europäer anzusehen, der während der Fahrt plötzlich von seinem Sitz aufsprang. Die Hand wich zurück und der dunkelgraue Rotz landete auf der von Dreck verkrusteten Schürze der alten verwahrlosten Frau.

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