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Ich weine um Dich

Ich weine um Dich

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K.M.B.


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Ich weine um Dich

51 Jahre lang habe ich ein glückliches und sorgenfreies Leben geführt.
Bis zu dem Tag, an dem ich die Vermieterin meines 20-jährigen Sohnes
anrief mit der Bitte, in seine Studentenwohnung zu gehen und nach
ihm zu schauen, ich konnte ihn nicht erreichen.

Noch zweieinhalb Jahre später höre ich das kreischende, entsetzte und langgezogene
"nein!" der Vermieterin am Telefon, welches mir bereits im ersten Moment klarmachte,
dass er nicht mehr lebte.

Mein Sohn, den ich so sehr liebte und auf den ich so stolz war, hatte sich
getötet. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er uns einen sehr langen Abschiedsbrief
geschrieben hat, in welchem er seiner Mama und mir bescheinigt, dass er eine glückliche
Kindheit hatte und wir an seinem Suizid keine Schuld tragen. Trotzdem frage ich mich täglich, was ich hätte tun können, um seinen Tod zu verhindern. Welche Zeichen und Signale habe ich übersehen? Bin ich tatsächlich ohne Schuld?

Uns allen ist bewusst, dass wir eines Tages unsere Eltern zu Grabe tragen werden.
Wenn es dann soweit ist, dass wir Abschied nehmen müssen, sind wir sehr
traurig. Aber wir sind auch dankbar, dass unsere Eltern ein langes Leben leben durften
und nun, da sie müde sind, gehen dürfen.

Beim Tod eines Kindes gibt es keinen Trost. Es ist die größte Katastrophe, die
man sich nur vorstellen kann. Ich habe das Wertvollste, was ich je hatte und haben
werde, verloren. Warum muss ich die Asche meines über alles geliebten Sohnes zu
Grabe tragen?

Und was ist mit Gott? Wäre ich allmächtig und schüfe ein wunderbares Wesen, wäre
es für mich ein Leichtes zu verhindern, dass dieses einzigartige Werk des Universums
von wem auch immer sinnlos zerstört wird. Im Falle der Zerstörung bin ich entweder
nicht allmächtig oder ich existiere nicht.

Über ein Jahr lang habe ich jeden Tag laut und hemmungslos geweint, heute weine
ich etwas leiser, aber an jedem dieser untröstlichen Tage.

Dieses Foto entstand auf einem Friedhof in einer kleinen südfranzösichen Stadt bei Montpellier.

Es ist ein Bildnis meiner selbst. Genauso das seiner Mama und seiner beider Schwestern.

Kommentare 5

  • egbert100 6. August 2013, 12:45

    ................................
    Tilo
  • K.M.B. 18. Januar 2013, 10:23

    Liebe bella,

    vielen Dank für Deine wohltuenden und mitfühlenden Worte - danke, dass Du geschrieben hast, obwohl wir uns nicht kennen.

    Ich habe mir übrigens Deine Fotos angeschaut. Sie sind absolut fantastisch und genau mein Geschmack - ein großes Kompliment an Dich!

    Herzlichen Gruß,

    K.M.B.
  • bella 17. Januar 2013, 16:34

    2x gelesen und einen dicken Kloß im Hals.
    Nein, Worte des Trosts finde ich hier auch nicht ...... so bleibt ein Moment des Innehaltens und sich verbunden fühlen mit dem Schicksal anderer Menschen.
    Die man zwar nicht kennt, aber mit denen man auf einmal mitfühlt und mitleidet.
    Ich Wünsche Euch soviel Kraft ....
    Lieber Gruß von bella
  • K.M.B. 15. Januar 2013, 22:50

    Hallo Stefanie,

    Du kannst uns zwar nicht trösten, aber wenn Du möchtest, kannst Du einfach im Geiste bei uns sein und uns eine Umarmung schenken. Das hilft schon ein wenig. Danke für Deine Anmerkung.

    vG K.M.B.
  • Stefanie Robrecht 15. Januar 2013, 20:40

    Würde gern etwas schreiben.
    Weiß nicht, was...

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