Michael Menz


Premium (Pro), Hamburg

Short Story: Editor und Choice

Die Tannennadeln knisterten unter den Reifen als ich meinen Wagen auf den einsamen Waldparkplatz abstellte. Es war frühmorgens und ich war voller Vorfreude auf das, was der Tag bringen sollte. Der Weg zu meinem Ziel war noch weit, aber die Zuversicht trieb mich voran.

Ich lief fröhlich pfeifend stundenlang durch das Moor, bis einer meiner Gummistiefel irgendwo auf halber Strecke verloren ging. Auch die Socke hatte sich verabschiedet, so musste es barfuß weitergehen. Die Mücken stürzten sich augenblicklich auf den nackten Fuß. Es juckte wie verrückt und so kam es, dass mir beim Kratzen des schon wund gescheuerten Knöchels, die nigelnagelneue Vollformatkamera mit lautem Klatschen in die nächste Pfütze fiel. Totalschaden. Zum Glück habe ich immer eine Ersatzkamera dabei und der Marsch konnte weiter gehen.

Erschöpft erreichte ich Tümpel und Tarnversteck und wartete gespannt auf mein Moorhuhnpärchen, auf das ich heute ansitzen wollte. Ich habe sie liebevoll "F" und "C" getauft. Aber es war wie verhext, weit und breit war nichts zu sehen.

Mit Schrecken dachte ich an meine Naturzeitschrift "Hecht und Specht". In der letzten Ausgabe gab es Schreckensbilder vom Magen eines kapitalen Hechtes zu sehen, in dem sich eine Ente wiederfand. Hatte etwa Herr Esox (lat, Hecht) meine Lieblinge ... nicht auszudenken.

Immer noch nichts zu sehen, meine Sorge stieg. Da erschienen in meinem Blickfeld zwei mir unbekannte Drosseln. Ich taufte sie spontan "Editor" und "Choice". Ich musste mich Richtung Lichtung drehen, damit ich die sich mir bietende Szenerie genauer beobachten konnte. Diese Rabauken führten einen hoffnungslosen Kampf um ein Revier, dass ich bestenfalls Herrn F und Frau C zugeschrieben hatte und nun Herrn Esox allein zu gehören schien.

Während ich auf den Auslöser drückte, hörte ich das vertraute Rufen meiner Moorhühner und verriss die Kamera. Ich hörte noch das Rattern der Serienbildfunktion, als die Cam samt Stativ mit lautem Klatschen in den Tümpel fiel. Vor Aufregung und Freude um die Wiederkehr meiner geliebten Federbällchen, hatte ich doch glatt das Stativ umgeschmissen. Nun war auch die nigelnagelneue Ersatzkamera dahin. Egal, entschädigte doch das Naturerlebnis für alles. Aber ans Fotografieren war nun natürlich nicht mehr zu denken.

Auf dem Rückweg, es war schon dunkel geworden, stolperte ich über eine alte Baumwurzel. Was soll ich sagen, Knöchel gebrochen. Ich benutzte notdürftig mein noch feuchtes Stativ als Krücke und ließ mich von meiner Frau via Handy-Ortung zum Parkplatz lotsen. Ich nutze dabei die Gelegenheit, ihr mein Missgeschick mit ihrer neuen Kamera zu berichten.

Erschöpft aber glücklich kam ich am Parkplatz an. Aber was musste ich dort sehen? Irgendein Naturhasser hatte mir alle Reifen zerstochen. Frustriert von diesem Rückschlag, aber immer noch glücklich, machte ich mich humpelnd auf den Heimweg.

Zuhause angekommen, zog sich eine kleine Wasserspur über den Flokati des Wohnzimmers, als ich flugs zum PC eilte, um die Speicherkarte einzustecken. Welch eine Freude, als ich erkannte, das alle Aufnahmen der Serie erhalten geblieben waren..

So kommt es, dass ich Euch wenigstens noch ein Foto der zankenden Drosseln zeigen kann. Was soll ich sagen, etwas unscharf und leider in s/w. Beim Betrieb der Ersatzkamera hatte ich die Menüvoreinstellungen meiner Frau nicht überprüft. Sie selbst ist hier in der FC als Streetfotografin (FlatTyres) aktiv und zeigt so viel Verständnis für mein zeitaufwändiges Treiben in der Natur, dass ich ihr auf diesem Wege nochmals öffentlich danken möchte.

Kommentare 8

  • N. Nescio 23. April 2023, 10:38

    Deine Frau besitzt nur deine ersatzkamera, die du mitsamt Stativ ins Moor fallen lässt? Bei allem Unglück ist das nicht gerecht :-)

    Ein Reifenzerstecher hasst die Natur,? Eher derjenige, der im Wald mit Auto fährt, trotzdem der Fußweg sogar mit Rucksack und gebrochenem Knöchel gut machbar ist. Freut sich die Natur, dass sie ab jetzt eine ins Wasser gestürzte vollformatcam besitzt? Wie lange bleiben die Reste des tarnzeltes dort?

    Aber das Foto ist interessant.
    • Michael Menz 23. April 2023, 11:07

      Trotz Happy End blieb ein Trauma übrig, so dass ich nicht mehr an den Ort des Geschehens zurück konnte.
      Mittlerweile ist das Gebiet abgezäunt. Ein riesiger Baumwipfelpfad lockt Scharen von Besuchern an. Das Moor ist trocken gelegt. Der ausgebaggerte Tümpel ist nun eine Tretboot-Arena. Ein ausgesetztes Schwanenpärchen hat meine Moorhühner nach kurzem Kampf vertrieben, sie sollen ihre letzten Jahre an einem Gnaden-Tümpel in MeckPomm verbracht haben.
      Manchmal hinterfrage ich im nachhinein aber auch mein damaliges Treiben kritisch und bereue die von dir in den Raum gestellten Umweltsünden.
      Am Ende freue ich mich aber am meisten über deine Einlassung zum Bild, dafür hat sich die ganze Mühe gelohnt. ;-)

      P.S.: Danke auch an die Lobe von Christian und Dieter. ;-)
      P.P.S.: Das Bild passt zum Thread "Ausschussqoute": Irgendetwas ließ mich zögern, die Löschtaste zu drücken, weil mir der getroffene Moment, mit all seinen Makeln, dennoch grafisch gefiel.
  • dreamer 07 28. November 2015, 15:07

    wow...das ist cool...***
    LG willy
  • principiante 28. November 2015, 11:09

    Beim Lesen habe ich einige Male
    "Ach du Schei...e" gerufen.
    Was ist dir denn da alles passiert?
    Und du gehst noch gutgelaunt nach Hause?
    Jetzt lese ich aber, es war vielleicht nur so
    ähnlich =)
    Ich habe deine Geschichte aber mit Begeisterung
    und sehr gerne gelesen.
    Und hoffe, deinen Kameras, deinen Autoreifen,
    deinem Wohnzimmerteppich und deiner Frau
    geht es gut ;-) Dir natürlich auch, du Schriftsteller
    mit nur noch einem Stiefel.
    Gruß
    Heike
  • Gerd Böh 27. November 2015, 22:04

    Gut, dann schmunzeln wir beide ;-)
  • Michael Menz 27. November 2015, 21:59

    @Gerd: Ich finde deine Anmerkung ok, keine Sorge, muss aber auch ein bisschen darüber Schmunzeln, sorry dafür. ;-)
    @Walter: Das Foto ist echt! ;-) Der Rest könnte sich bei der Enstehung des Bildes auch nur so ähnlich zugetragen haben ... :-)
    Gruß Michael
  • Walter Schmid39 27. November 2015, 21:59

    Hallo Michael.
    Hab mich selten so amüsiert, wie über diese Story von deiner Fotoexkursion. Wenn du nicht schon Schriftsteller bist, musst du unbedingt einer werden, das Zeug hast du dazu. Trotz allem Pech, das dir widerfahren ist, die Fotoausbeute finde ich absolut sehenswert.
    Gruss Walter
  • Gerd Böh 27. November 2015, 21:39

    Die Short-Story hätte das Bild sein sollen,
    nicht der Text, der keine "Short-Story" ist!

    Langer Text (den ich nicht lesen werde).
    Und ein Bild, wo das Hauptmotiv unscharf ist.

    Gelinde gesagt: Ein Zumutung!

    Sorry, aber die 'echten' Meinungen
    kommen nicht unbedingt von Feinden ...

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Ordner Vögel
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Exif

Kamera Canon EOS 7D Mark II
Objektiv Canon EF 100-400mm f/4.5-5.6L IS
Blende 8
Belichtungszeit 1/40
Brennweite 170.0 mm
ISO 250

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