Tanz auf neuem Terrain

Tanz auf neuem Terrain

dazu im WIESBADENER KURIER:

Tanz auf neuem Terrain
24.06.2010 - MAINZ
Von Christopher Scholz

GASTSPIEL Ballett Mainz erobert die Räume der Mainzer Kunsthalle

Nur ein „try out“ nennt es Pascal Touzeau, ein schlichtes Ausprobieren ohne aufwändige Effekte in Räumlichkeiten, die eigentlich nicht für den Tanz geschaffen wurden: Der Ballettdirektor des Staatstheaters gastiert mit Teilen seiner Truppe in der Kunsthalle und übt sich nach einer außergewöhnlichen Premiere in Understatement.

Dominic Schreiner, der mit seiner Agentur AdAstra-Kreativpool mit Vorliebe interdisziplinäre Projekte anstößt, hat auch diese Fusion der Künste initiiert, Kunsthallenleiterin Natalie de Ligt und den Ballettchef an einen Tisch gebracht. Der knappe Zeitrahmen erlaubte allerdings keine explizite Auseinandersetzung mit der aktuellen Ausstellung „Stadt im Fluss / Stadt am Fluss“ - die Tänzer greifen teilweise auf Material zurück, das sie für Touzeaus letztes Stück „The Irin“ erarbeitet, aber nicht verwendet haben. Das Ensemble erobert auch so in bemerkenswerter Weise die drei Hallen, belebt mit seiner physischen Präsenz die stille Stätte der unbelebten Kunst: Das Tanztheater erkundet Neuland - und zieht das Publikum förmlich mit. Die Tänzer agieren zuweilen, als würden sie hier die eigene Position suchen, in diesem ungewohnten Raum, aber auch untereinander, es kommt zu Reibungen, Vertraulichkeiten, einem gemeinsamen Picknick zu Billie Holiday-Songs - und zu sehr viel Nähe zum Publikum.

Die schützende Distanz zur Bühne fehlt hier, ohne festgelegte „Stehordnung“ bewegt sich ein jeder durch den Raum, versucht nicht zu „stören“ und wird doch immer wieder durch einen Blickkontakt, eine Geste, eine Berührung involviert, wird Teil des Geschehens: Es ist eine intensive Erfahrung, die nicht allein von kühler Ästhetik lebt, sondern auch gebunden ist an unmittelbare Sinnlichkeit, geprägt ist von direkter Körperlichkeit, von Kraft und Schweiß.


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