Ein Tag mit dem Zeiss Makro-Planar T 100/2,0 ZF.2

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Jörg22 Jörg22 Beitrag 1 von 2
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Vorweg: Dies ist kein Test-, sondern ein rein subjektiver Erfahrungsbericht. Fotos werde ich auch nicht veröffentlichen, die gibt es reichlich im Netz. Es ist als kleine Hilfe für diejenigen gedacht, die von dieser Linse angefixt sind, ohne die Möglichkeit zu besitzen, sie vor einem Kauf testen zu können.
Der Händler meines Vertrauens hatte mir, nachdem ich schon auf der Photokina ein bisschen damit rummachen konnte, sein Exemplar für einen Tag geliehen.
Obwohl viele Zeiss SLR-Objektive optisch erste Sahne sind, gibt es doch einige Perlen im Sortiment, die einen besonders guten Ruf genießen. Hierzu zählt IMHO neben den Zeiss Distagons T 15/2.8 und 21/2,8 das wunderbare APO Sonnar T 135/2,0 sowie das hier besprochene 100er Makro-Planar. Die beiden Letzteren stehen in dem Ruf, zu den schärfsten Kleinbild-Linsen zu gehören, die man für Geld kaufen kann.
Also rauf damit auf die D810 und los.
Zeiss-Objektive umgibt der Ruch, etwas für gutbetuchte Enthusiasten mit viel Tagesfreizeit zu sein (für Leica-Nutzer gilt dies doppelt). Das liegt zum einen am stolzen Preis, wobei man für € 1649.- etwa noch kein Nikon AF-S 24/1,4 G ED kaufen kann, zum anderen aber an der Tatsache, dass man dafür ein manuelles Objektiv ohne Autofokus bekommt. Ohne Stabilisator sowieso. Dies bedeutet, dass man (per aspera ad astra…) nicht nur viel zahlen, sondern auch einen Verzicht auf hilfreiche Features üben muss. Zeiss-Linsen kauft man aber zum Glück nicht, weil man sie wirklich für etwas braucht, sondern, weil man wissen will, wie es auf dem Olymp aussieht.
Mechanisch und haptisch ist das Objektiv ein Traum. Warum so einem Stück kein angemessener Objektivköcher beigegeben wird, weiß aber wohl nur Zeiss. Eine stabile Streulichtblende ist dabei.
Ich besitze bereits ein 90er f/2.8 Tamron Makro und das 85mm 1:1,8 Nikkor, bin also für die Makro- und Portrait-Fotografie, den Domänen dieses Brennweitenbereiches, recht gut versorgt. Legt das Zeiss hier optisch noch eine Schippe drauf?
Ja, das tut es. Nicht viel - bei Festbrennweiten im kurzen Telebereich ist die Luft nach oben auch ganz schön dünn. Aber doch merklich.
Die Bilder sind schon bei Offenblende (f2.0!) atemberaubend scharf und kontrastreich, ab f2.8 wird es zum Rasiermesser. Abbildungsfehler, Verzeichnungen, Vignettierung? Im vernachlässigbaren Bereich. Die Farben? Bei meinem Exemplar ein neutraler Traum.
Der Clou des Objektivs ist IMHO nicht die absolute Schärfe, die wird gerne überschätzt, sondern der visuelle Bildeindruck. Und der ist hier wirklich vom Feinsten.
Das Planar verleiht den fotografierten Objekten eine ganz eigene Räumlichkeit und kontrastreiche Klarheit, die nur schwer zu beschreiben ist. Es wirkt in etwa so, als wäre kurz vorher jemand vorbeigegangen und hätte das Motiv abgeleckt. Objekte werden so bestmöglich präsentiert, was es zum Traum aller Produkt-Fotografen machen sollte.
In den USA wird das Phänomen gerne als „Zeiss-Pop“ oder „3D“ -Effekt bezeichnet. Da ist was dran. Vermutlich liegt es an den verwendeten Glasarten und der Vergütung der Elemente (9 Linsen in 8 Gruppen).
Das alles erhält man, und es birgt eine gewisse Suchtgefahr, wenn man ein scharfes Foto hinbekommt. Ja, wenn.
Kleiner Exkurs: Ich habe einen Bekannten, der kommerziell Negative digitalisiert. Manchmal kommt ein Kunde, der ihn inständig bittet, bei seinen Bildern besonders sorgfältig vorzugehen, da die Bilder „mit einer Leica“ aufgenommen wurden. Schaut der Kollege dann in die Fotos rein, stellt er gar nicht so selten fest, dass ein großer Teil der Bilder unscharf ist. Nicht unbrauchbar, aber eben nicht so scharf, wie es bei mehr Sorgfalt möglich gewesen wäre.
Wer seinem hochauflösenden modernen Kleinbildsensor das Planar gönnt, sollte beiden mittels eines guten Stativs ab und zu die Chance geben, zu zeigen, was sie können.
Bei f/2 und 100mm ist der Schärfentiefe Bereich winzig. Und man wackelt. Unweigerlich. Ebenso ggf. das aufzunehmende Objekt. Auch bei ordentlichem Licht hatte ich bei Portraits einen „Ausschuss“ an nicht ganz scharfen Bildern von über 50%. Das ist natürlich auch meiner mangelnden Übung mit dem Objektiv geschuldet, aber eine gewisse Handunruhe bei 100mm Brennweite ist nun mal ein Fakt. 1/250s sollten es da schon sein.
Freihändig waren die Bilder im direkten Vergleich selten "schärfer" als beim (sehr guten) stabilisierten 90er Tamron (bei f2.8). Die Ablichtung bewegter Objekte ist schwierig, wegen der manuellen Fokussierung, aber auch, weil der (butterweiche) Fokustrieb einen Drehwinkel von fast 360 Grad hat. Für Makrofotografen ist das eine wahre Freude, bei anderen Anwendungen muss man regelmäßig nachgreifen. Das Objekt ist dann oft entschwunden.
Auch wenn das Weglassen manchmal eine Kunst ist: Autofokus und Stabilisator machen gelegentlich schon Sinn…
Hinsichtlich der Makroverwendung sei erwähnt, dass der maximale Abbildungsmaßstab „nur“ bei 1:2 liegt. Daraus resultiert eine vergleichsweise üppige Nahgrenze von 44cm.
Der eher geringe Abbildungsmaßstab ist der Tatsache geschuldet, dass das Zeiss so gerechnet ist, dass der optimale Einsatzbereich von 1:2 bis „unendlich“ geht. Es handelt sich also konzeptionell eher um ein universelles Tele mit Makrofunktion. Es schwächelt in der Ferne nicht wie manch älteres Makro. Zeiss verweist hier gerne auf das „Floating Elements“ –Design, aber das können andere, wie z.B. Sigma, auch.
Das Bokeh ist, nah wie fern, superb.
Mein Fazit: Das Zeiss ist ein Traum für denjenigen, der seine Bilder gerne komponiert. Der in einem eher schmalen Einsatzbereich das Optimale sucht und dafür die notwendige Zeit, Muße und Lernbereitschaft mitbringt.
Gekauft habe ich es nicht. Es kann bei mir weder mein Tamron ersetzen, da mir 1:2 nicht immer ausreichen, noch mein Nikkor, weil mir dessen treffsicherer Autofokus ans Herz gewachsen ist. 100mm sind mir persönlich auch zu lang, um damit alleine durch die Stadt zu ziehen. Es würde also „ein Objektiv mehr“ werden und dann, so ehrlich muss ich sein, wohl auch die meiste Zeit in der Schublade schmoren, zumal es (natürlich) auch kein Leichtgewicht ist..
Ich konnte daher in einem Anflug von klarem Verstand den „haben wollen“ - Reflex für dieses Mal überwinden. Ich kann aber jeden verstehen, der, rational begründet oder nicht, diese Investition tätigt, zumal es dafür gebaut ist, viele Jahre Freude zu bereiten. Da relativiert sich der Preis. Der stabile Wiederverkaufswert ist auch so ein Argument.
Sasa Laperashvili Sasa Laperashvili Beitrag 2 von 2
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Hallo Jörg,

vielen Dank für den ausführlichen Bericht!
Die Qualität der Linse ist wirklich hervorragend.
Ein Autofokus bei Makrofotografie ist aber nicht unbedingt ein Muss. Einsatz der Makroschiene wird von mir bevorzugt und ist für mich seit einiger zeit unverzichtbar. Aber der Preis € 1649 ist m. E. trotz der Qualität wirklich stolz!
Ich habe meine Makro-Anforderungen ebenfalls mit Zeiss gelöst, aber etwas anders:

Kamera: Sony Alpha 7 (Vollformat)
Novoflex Adapter
Objektiv: Carl Zeiss Makro Planar 2,8/100mm (Gebrauchtpreis bei Ebay schwankt zwischen 600 und 950 €)

Die Kombination ist für mich traumhaft und bringt mir auch für Portrait-Fotografie sehr viel Freude, da die Abbildung der Vintage Linse ebenfalls hervorragend ist. Dabei wurde auch nicht so viel ausgegeben.....
Am Wochenende werde ich ein Paar Fotos hochladen...

VG
Sasa
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