Streetfotografie unzulässig?

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7BS 7BS Beitrag 1 von 19
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Nach dem ich mich als frischgebackener Fotoamateur in der Natur- und Landschaftsfotografie ausgetobt habe, möchte ich gerne etwas Neues ausprobieren. Die sogenannte Streetfotografie ist ein etwas anspruchsvolleres Gebiet, das ich gerne ausprobieren möchte. Welche Objektive, Kameraeinstellungen, Lichtverhältnisse usw. für die Fotografie am Menschen die besten Ergebnisse liefern, damit habe ich mich auch schon bereits beschäftigt. Was mich allerdings verunsichert, sind die Vorgaben des Gesetzgebers in Deutschland. Ich denke, die Grundproblematik ist jedem bekannt: man benötigt die Zustimmung des Abgebildeten, um die Fotos zu veröffentlichen (§ 22 KunstUrhG). Bei der Portraitfotografie ist es klare Sache: man macht ein Model-Release (Vertrag) und gut is. Aber wie ist es bei der Streetfotografie? Klar gibt es auch Ausnahmen. Sie sind in § 23 KunstUrhG geregelt und relativ überschaubar. Danach dürfen ohne Einwilligung verbreitet werden:

- Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte
- Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen
- Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben
- Bildnisse, die einem höheren Interesse der Kunst dienen

Auf die Streetfotografie können diese Ausnahmen meiner Meinung nicht angewendet werden. Die Straßenmusiker oder der Passant vor dem Laden sind keine zeitgeschichtlichen Ereignisse. Die Personen sind aber zentrales Element der Bildgestaltung und daher kein Beiwerk. Eine Versammlung ist auch nur selten Gegenstand der Streetfotografie im Sinne des § 23, schon eher bei der Reportagenfotografie. Außerdem wissen die Menschen auf den Bildern meistens nicht, dass sie gerade fotografiert werden. Die Streetfotografie lebt aber doch von solchen Situationen.

Also ist es doch so, dass die Streetfotografie und das Veröffentlichen der Fotos nach deutschem Recht für den Fotografen unzulässig ist.

Wieso gibt es aber in den Foto-Communities so viele schöne Street-Fotos von Menschen? Läuft das so nach dem Motto „wo kein Kläger, da kein Richter“? Wer kann mich beruhigen :-) ???
7BS 7BS Beitrag 2 von 19
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Die Sache hat sich erledigt. Das Thema wurde hier schon mehrfach behandelt. Ich hätte vorher lesen sollen.

Grundsätzlich gilt bei allen Aufnahmen, auf denen Personen abgebildet sind, das Recht am eigenen Bild. Das bedeutet, dass eine Personenabbildung nur verbreitet oder veröffentlicht werden darf, wenn die abgebildete Person eingewilligt hat.

Somit ist das Thema Streetfotografie für mich gestorben.
Johannes Röhnelt Johannes Röhnelt Beitrag 3 von 19
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Zitat: Hansi Ba 29.11.17, 15:49Zum zitierten Beitrag... Aber wie ist es bei der Streetfotografie? Klar gibt es auch Ausnahmen. Sie sind in § 23 KunstUrhG geregelt und relativ überschaubar. Danach dürfen ohne Einwilligung verbreitet werden:
...
- Bildnisse, die einem höheren Interesse der Kunst dienen

Du hast diese für die Street-Fotografie wichtige Ausnahme des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG unkommentiert gelassen.

Es geht hierbei nicht um Kunst von Künstlern, die auf einem hohen Sockel stehen, sondern um das höhere Interesse der Kunstfreiheit ganz allgemein (siehe unten 32bb), das mitunter Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht einer abgebildeten Person haben kann.

In der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZUM 10/2017 weist Linda Bienemann auf "die zunehmende Bedeutung des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG für neue Kunstformen " hin.

Ein neues Urteil des LG Frankfurt, das im konkreten Fall zwar anders entschieden hat, fügt sich - so schreibt sie - "ein in die zuletzt ergangene Rechtsprechung zur Street-Photography, zum Techno-Viking und zum Portrait eines Staatsanwalts. Insgesamt ist eine zunehmende Bedeutung des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG zu verzeichnen."

Das neue Urteil des LG Frankfurt kenne ich zwar noch nicht, aber vielleicht helfen ja auch Sätze aus der Begründung zum Urteil "Portrait eines Staatsanwalts" des OLG Celle weiter, bei dem es allerdings - was dies anbetrifft - nicht um ein Foto, sondern ein Gemälde ging: https://openjur.de/u/325879.html

Für künstlerische Fotos gilt das aber sicher genauso:

2. Leitsatz: "Die Veröffentlichung eines nicht verunstaltenden oder herabsetzenden Portraitgemäldes einer mit ihrer Abbildung nicht einverstandenen Person zu ausschließlich künstlerischen Zwecken dient einem höheren Interesse der Kunst im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG und geht dem davon betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person grundsätzlich vor."

32bb): "Die Entbehrlichkeit der Einwilligung folgt jedoch aus § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG. Die Verbreitung des Bildnisses dient einem höheren Interesse der Kunst. Für diese Beurteilung war dabei nicht maßgeblich, ob dem Bildnis eine höherwertige Qualität zukam. Denn eine Niveaukontrolle, also eine Differenzierung zwischen höherer und niedriger Kunst, liefe auf eine verfassungsrechtlich unstatthafte Kontrolle hinaus (vgl. BVerfG NJW 1987, 2661). Vielmehr kam es für die Anwendung der Norm allein darauf an, ob die Veröffentlichung des Gemäldes vom verfassungsrechtlichen Kunstbegriff überhaupt erfasst wird und wenn ja, ob diese Kunstausübung ein höherwertiges Rechtsgut darstellt als das hiervon betroffene Rechtsgut der abgebildeten Person."

MfG
Johannes
http://www.schmunzelkunst.de
Hermann Klecker Hermann Klecker   Beitrag 4 von 19
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Welcher Teil von "Die Sache hat sich erledigt." ist irgendwie missverständlich ausgedrückt? :-)

(Inhaltlich bin ich da voll bei Dir)
7BS 7BS Beitrag 5 von 19
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Schön und gut Johannes. Aber was ist das jetzt, Kunst oder Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild?

http://www.fotocommunity.de/photo/ungef ... a/40490237
TLK TLK   Beitrag 6 von 19
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Der Punkt "Höheres Interesse der Kunst" ist in der Tat bewußt weit gefasst - soweit ich dies verstanden habe, steht dieser immer auch in Abwägung zu den Persönlichkeitsrechten des Abgebildeten.
Vgl. dazu übrigens eine frühere Diskussion: http://www.fotocommunity.de/forum/fotog ... t---104454 - darin insbesondere z.B. die Beiträge #23 und #24

Um zum Ausgangspunkt der Diskussion zurückzukommen: es gibt wohl noch eine weitere Möglichkeit, bei der man ansetzen kann - siehe dazu den Abschnitt Nicht erkennbar fotografieren auf https://www.fototv.de/blog/gesetzeskonf ... fotografie
Anm.: Ich finde diesen Blogeintrag wie den gesamten Artikel jedoch offen gestanden nicht in allen Punkten überzeugend.

Und außerdem hatte sich das Thema ja ehedem bereits erledigt... ;)
7BS 7BS Beitrag 7 von 19
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Auch eine gute Alternative "nicht erkennbar fotografieren" und ein sehr guter Blog auf fotoTV. Vielen Dank für das Feedback und sorry für meine Inkonsequenz, mit dem Thema abzuschließen.

Mal sehen was ich tun kann, denn es wäre schade bei diesem interessanten Fotogebiet die Flinte gleich ins Korn zu werfen. Nochmals danke an alle.
Hermann Klecker Hermann Klecker   Beitrag 8 von 19
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Zitat: Hansi Ba 30.11.17, 13:54Zum zitierten BeitragSchön und gut Johannes. Aber was ist das jetzt, Kunst oder Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild?

http://www.fotocommunity.de/photo/ungef ... a/40490237


Das hängt nicht nur vom Bild ab, sondern auch davon, ob der Fotograf eben als Künstler auftritt oder nur seine Urlaubsbilder auf facebook rumzeigt. Es spielt also keine Rolle, wie gut das Bild ist oder nicht. Kunst kann - und darf - nicht an formalen inhaltlichen Kriterien definiert werden. Wichtig ist allein, ob das Bild als Kunst wahrgenommen wird.

Ich hab da schon länger eine einfache, plakative und womöglich recht gewagte These: Wenn der Fotograf sagt, es sei Kunst, dann ist es auch Kunst.
TLK TLK   Beitrag 9 von 19
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Zitat: Hermann Klecker 30.11.17, 18:25Zum zitierten BeitragIch hab da schon länger eine einfache, plakative und womöglich recht gewagte These: Wenn der Fotograf sagt, es sei Kunst, dann ist es auch Kunst.

Aber vor Gericht muß ggf. der Anwalt gut und überzeugend argumentieren, damit auch der Richter entscheidet, daß es als Kunst zu betrachten ist. Das weiß man nur vorher eben nicht...
Hermann Klecker Hermann Klecker   Beitrag 10 von 19
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Zitat: TLK 30.11.17, 18:31Zum zitierten BeitragZitat: Hermann Klecker 30.11.17, 18:25Zum zitierten BeitragIch hab da schon länger eine einfache, plakative und womöglich recht gewagte These: Wenn der Fotograf sagt, es sei Kunst, dann ist es auch Kunst.

Aber vor Gericht muß ggf. der Anwalt gut und überzeugend argumentieren, damit auch der Richter entscheidet, daß es als Kunst zu betrachten ist. Das weiß man nur vorher eben nicht...


Naja, dann fragt der Anwalt vielleicht den Johannes, wie das Verfassungsgericht vor 30 Jahren bereits entschieden hat.

(Oder kurz: Steht doch oben schon.)
TLK TLK   Beitrag 11 von 19
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Zitat: Hermann Klecker 30.11.17, 18:38Zum zitierten BeitragZitat: TLK 30.11.17, 18:31Zum zitierten BeitragZitat: Hermann Klecker 30.11.17, 18:25Zum zitierten BeitragIch hab da schon länger eine einfache, plakative und womöglich recht gewagte These: Wenn der Fotograf sagt, es sei Kunst, dann ist es auch Kunst.

Aber vor Gericht muß ggf. der Anwalt gut und überzeugend argumentieren, damit auch der Richter entscheidet, daß es als Kunst zu betrachten ist. Das weiß man nur vorher eben nicht...


Naja, dann fragt der Anwalt vielleicht den Johannes, wie das Verfassungsgericht vor 30 Jahren bereits entschieden hat.

(Oder kurz: Steht doch oben schon.)

Es wäre schön, wenn es so einfach wäre, denn ein Urteil aus jüngerer Zeit macht da eher wenig Hoffnung:
https://www.anwalt.de/rechtstipps/ist-s ... 77870.html
http://www.ra-himburg-berlin.de/fotorec ... isiko.html
(beide Artikel stammen von der selben Rechtsanwältin - die übrigens den Urteilsspruch zur Unterlassung sehr kritisch bewertet -, auf der erstgenannten Seite publizieren verschiedene Anwälte zu bestimmten Rechtsthemen)
Michael B. Rehders Michael B. Rehders   Beitrag 12 von 19
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Ich habe mir die Begründung der Kammer mal genauer durchgelesen. Schlussfolgerung: Wären die Streetphotos in einer Ausstellung gezeigt worden - und nicht als Großplakat auf der Straße - wären Fotograf und Galerie wohl damit in der Berufung durchgekommen.
Die Schadensersatzforderung der Klägerin wurde ja ohnehin abgelehnt, lediglich ihre aufgelaufenen Kosten für den Anwalt (Abmahnkosten) mussten Fotograf und Galerie tragen, weil diese in Zusammenhang mit der Unterlassung stehen - sprich: Fotograf und Galerie müssen es unterlassen, das Bildwerk als Plakat nahe einer Kreuzung öffentlich zur Schau zu stellen.

Ich nehme für mich daraus mit, dass ich meine eigenen Bildwerke, die ich im Rahmen der Streetphotographie gemacht habe, nur in einer Ausstellung zur Schau stellen werde - sofern keine Gestattung der abgelichteten Personen vorliegt.
Alice vom See Alice vom See   Beitrag 13 von 19
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Nun, mit der Zurschaustellung der Bilder in einer Galerie wird ja Bezug zur Kunst genommen. Das Bild auf einem öffentlich aufgehängten Plakat ist aber eher Kommerz und dafür bedarf es einer Regelung mit den abgebildeten Personen, die das Recht haben daran mit zu verdienen.
Hermann Klecker Hermann Klecker   Beitrag 14 von 19
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Zitat: TLK 30.11.17, 18:53Zum zitierten BeitragZitat: Hermann Klecker 30.11.17, 18:38Zum zitierten BeitragZitat: TLK 30.11.17, 18:31Zum zitierten BeitragZitat: Hermann Klecker 30.11.17, 18:25Zum zitierten BeitragIch hab da schon länger eine einfache, plakative und womöglich recht gewagte These: Wenn der Fotograf sagt, es sei Kunst, dann ist es auch Kunst.

Aber vor Gericht muß ggf. der Anwalt gut und überzeugend argumentieren, damit auch der Richter entscheidet, daß es als Kunst zu betrachten ist. Das weiß man nur vorher eben nicht...


Naja, dann fragt der Anwalt vielleicht den Johannes, wie das Verfassungsgericht vor 30 Jahren bereits entschieden hat.

(Oder kurz: Steht doch oben schon.)

Es wäre schön, wenn es so einfach wäre, denn ein Urteil aus jüngerer Zeit macht da eher wenig Hoffnung:
https://www.anwalt.de/rechtstipps/ist-s ... 77870.html
http://www.ra-himburg-berlin.de/fotorec ... isiko.html
(beide Artikel stammen von der selben Rechtsanwältin - die übrigens den Urteilsspruch zur Unterlassung sehr kritisch bewertet -, auf der erstgenannten Seite publizieren verschiedene Anwälte zu bestimmten Rechtsthemen)


Es ist so einfach.
Auch in dem Urteil wird ja nicht in Frage gestellt, ob die Ausstellung im Interesse der Kunst läge bzw. worum es mir ging, ob es denn überhaupt Kunst sei.

Was dort geschieht ist ja genau die Abwägung zwischen dem höheren Interesse der Kunst und berechtigtem Interesse der abgebildeten Person, die das KUG auch fordert.

Für mich ist daher unstrittig, dass eine sehr nachteilige Darstellung einer Person auch vor diesem Urteil schon im KUG nicht direkt erlaubt wird. Kritisieren kann man sicherlich, wo da die Grenze gezogen wird und ob ein unfreundlicher oder gar komischer Gesichtsausdruck und ein faltiger Wurf des Kleides da schon ausreichen, der persönliche Interesse der Dame höher zu bewerten als das der Kunst bzw. des Künstlers.
Hermann Klecker Hermann Klecker   Beitrag 15 von 19
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Zitat: Michael B. Rehders 30.11.17, 19:14Zum zitierten BeitragIch habe mir die Begründung der Kammer mal genauer durchgelesen. Schlussfolgerung: Wären die Streetphotos in einer Ausstellung gezeigt worden - und nicht als Großplakat auf der Straße - wären Fotograf und Galerie wohl damit in der Berufung durchgekommen.
Die Schadensersatzforderung der Klägerin wurde ja ohnehin abgelehnt, lediglich ihre aufgelaufenen Kosten für den Anwalt (Abmahnkosten) mussten Fotograf und Galerie tragen, weil diese in Zusammenhang mit der Unterlassung stehen - sprich: Fotograf und Galerie müssen es unterlassen, das Bildwerk als Plakat nahe einer Kreuzung öffentlich zur Schau zu stellen.

Ich nehme für mich daraus mit, dass ich meine eigenen Bildwerke, die ich im Rahmen der Streetphotographie gemacht habe, nur in einer Ausstellung zur Schau stellen werde - sofern keine Gestattung der abgelichteten Personen vorliegt.


Richtig, man muß da schon genau hinsehen.

In einem anderen Fall, den eine betroffene Person strafrechtlich angehen wollte, hatte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf das Verfahren recht frühzeitig wieder eingestellt. Auch ein Streetfoto, das aus einer Ausstellung heraus als Werbebild (hier aber für Flyer) verwendet wurde so dass der Mann sein Foto bei McDonalds auf dem Boden liegend fand.
Der Mann hat nicht reklamiert, unvorteilhaft abgebildet gewesen zu sein. Er hat lediglich angegeben, von dem Foto nichts zu wissen und damit nicht einverstanden zu sein.

Man muß also immer auch die genauen Umstände der einzelnen Fälle mit berücksichtigen. Einfach nur zu sagen "Kunst darf das" geht so nicht. Aber zu sagen "Das ist aber keine Kunst" geht auch nicht so einfach.
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