Inszenierte Fotografie - journalistisch oder künstlerisch

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Ute Maria Ute Maria   Beitrag 1 von 19
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Es gab hier im letzten Juli schon mal eine interessante Diskussion über "Inszenierte Streetfotografie".

Ich las diesen Artikel über die Aberkennung des Preises der World Press Jury wegen inszenierter Pressefotos

http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 21879.html

"Es geht um einen klaren Fall von Irreführung, dies verändert die Art und Weise, wie die Szene wahrgenommen wird", sagte Lars Boering, der Chef des World Press Photo Awards."

Aber ist das wirklich so? Wieso wird die Szene denn nun anders wahrgenommen?

Weiter heißt es:
"Am konkreten Beispiel der intimen Aufnahme des Liebespaars im Auto entzündete sich ein Streit um die Unterscheidung von künstlerischer und journalistischer Fotografie. Letztere ist dokumentarisch und engt die Gestaltungsfreiheit des Fotografen naturgemäß deutlich ein."

Wieso ist das "inszenierte" Foto nun weniger wert? Ist es denn so, dass die eingeengte Gestaltungsfreiheit des Fotografen bei der Erstellung seines Fotos ein Qualitätsstandard ist? Sagen die fotografierten Szenen weniger aus, wenn sie inszeniert sind, als wenn sie live dokumentiert werden?

"Der Fotograf selbst sieht sich als Sündenbock einer grundsätzlichen Debatte über die Standards des Wettbewerbs. Laut "New York Times" habe er mit dem Foto "Voyeurismus durch Voyeurismus zeigen wollen" - mit der Kamera als aktivem Bestandteil. Er habe nie etwas vor der Jury verstecken wollen."

Was denkt Ihr?
0x FF 0x FF   Beitrag 2 von 19
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Das inszenierte Foto ist keine reine, banale Dokumentation. Letztere wurde aber im Wettbewerb gefordert. Fertig.
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 3 von 19
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!
Marion Bers Marion Bers   Beitrag 4 von 19
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Der World Press Photo Award ist nun mal ein journalistischer Wettbewerb, und vom Journalismus erwartet man zu Recht, dass er der "Wahrheit" möglichst nahe kommt und daher nur die Realität abbildet und zwar "in real" - nicht "nachinzeniert" oder gar frei erfunden. Sicher sehen die nachgestellten Bilder viel besser aus. Und sie kommen extrem gut an beim staunenden Publikum, obendrein lassen sich auch viel gefahrloser herstellen. Mmmhh, ja, das hat seinen Reiz.

Würde ich so handeln wie manche "Top"-Pressefotografen, dann bräuchte ich gar nicht zur nächsten Stadtratsversammlung gehen, sondern könnte mir die Debatten und Entscheidungen einfach zu Hause am Rechner ausdenken. Vielleicht fällt mir auch noch ein spektakulärer Hausbrand im Nachbardorf ein, den ich mit glühenden Worten in allen Einzelheiten beschreibe, während ich am Kaminfeuer sitze und Wein trinke. Oder wie wär's mit handfesten Sexskandal eines Politikers? Der Mensch müsste nicht mal existieren, ich könnte ihn auch erfinden. Natürlich würde sich das alles glaubwürdig lesen! Ich kenn mich doch aus in meinem Ressort, hab ja schon genug erlebt - ich brauche nur die Details etwas zu mischen... hier noch ein Klecks Blut, dort ein Hauch Crime dazu...

Ich glaube niemand von uns möchte einen solchen Journalismus.
Nicht in Texten, von denen man Information erwartet.
Warum dann also in Bildern?
XYniel XYniel Beitrag 5 von 19
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Zitat: Ute Maria 06.03.15, 00:02Zum zitierten BeitragWas denkt Ihr?
das du verstehen solltest, das doku und inszenierung zwei paar schuhe sind!
Ute Maria Ute Maria   Beitrag 6 von 19
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Zitat: XYniel 06.03.15, 04:13Zum zitierten Beitragdas du verstehen solltest, das doku und inszenierung zwei paar schuhe sind!

Alles gut :-) Der Unterschied ist für mich unschwer zu erkennen.

Doch das meinte ich nicht.

Auf der website von World Press Foto heißt es: „The main overall prize, the World Press Photo of the Year, is awarded for the single photograph that is not only the photojournalistic encapsulation the year, but represents an issue, situation or event of great journalistic importance, and does so in a way that demonstrates an outstanding level of visual perception and creativity."

Und eins der Fotos von Giovanni Troilo war ja nun ganz sicher von vornherein als inszeniert klar erkennbar http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 19595.html

Also kann es nicht sein, dass inszenierte Fotos nicht zugelassen sind. Es geht um die Aussagekraft der Fotos, so wie ich das verstanden habe. Und hier frage ich mich, wieso die jetzt gelitten hat?

Und hat Troilo tatsächlich gelogen? Und wenn ja, wobei genau?
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 7 von 19
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[quote="Ute Maria%1425630723--5879032]
Und eins der Fotos von Giovanni Troilo war ja nun ganz sicher von vornherein als inszeniert klar erkennbar http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 19595.html

Also kann es nicht sein, dass inszenierte Fotos nicht zugelassen sind. Es geht um die Aussagekraft der Fotos, so wie ich das verstanden habe. Und hier frage ich mich, wieso die jetzt gelitten hat?

Und hat Troilo tatsächlich gelogen? Und wenn ja, wobei genau?[/quote]


Es geht weniger um eine Inzenierung selbst, die natürlich auch im Rahmen einer Reportage dokumentiert werden kann (man denke nur an Performances oder Theateraufführungen), sondern darum, ob sie für das Foto direkt inszeniert wurde, dann ist es eben keine Reportagefotografie mehr sondern höchstens Fotokunst, die allerdings bei dem Wettbewerb nicht gefragt war.
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 8 von 19
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...und, Ute-Maria?

..betrifft Dich das in irgendeiner Form?
Alice vom See Alice vom See   Beitrag 9 von 19
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Betrifft irgend einen irgend etwas, was in diesem Forum diskutiert wird, persönlich? Nein? Dann können wir die Foren dicht machen.
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 10 von 19
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Zitat: Alice vom See 06.03.15, 17:38Zum zitierten BeitragBetrifft irgend einen irgend etwas, was in diesem Forum diskutiert wird, persönlich? Nein? Dann können wir die Foren dicht machen.

Natürlich beschäftigt/ interessiert mich das in der Regel, wo ich was schreibe.

Hier in dem Fall die eher unwahrscheinliche Annahme, dass Ute Maria als aspirantin auf den world press award im Rennen ist...
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 11 von 19
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..mit anderen Worten:
Na und? Wird der Titel halt aberkannt.
Das aendert ja wohl an dem jetzt nicht mehr weltmeisterlichen Foto nicht das geringste.
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 12 von 19
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Habe mir gerade das superfoto mal angeschaut.
Logisch inszeniert.
Kein Mensch wuerde die gesamte Beleuchtungsanlage am Auto anlassen, evtl sind s ja sogar die bremslichter..
Marion Bers Marion Bers   Beitrag 13 von 19
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Zitat: Ute Maria 06.03.15, 10:32Zum zitierten BeitragAlso kann es nicht sein, dass inszenierte Fotos nicht zugelassen sind.
Woraus schließt du das? Aus dem kleinen Wörtchen "creativity"?
Kreativ kann auch die Herangehensweise an ein Thema sein, die Wahl der Perspektive, der außergewöhnliche Umgang mit dem Equipment. Für mich bedeutet es nicht automatisch, dass man etwas, was man sich "so in etwa vorstellt", inszenieren darf. Kurzum: In Szene setzen, ja. Von Darstellern vorspielen lassen und so tun, als wäre es real: Nein!

Zitat: Ute Maria 06.03.15, 10:32Zum zitierten BeitragUnd hat Troilo tatsächlich gelogen? Und wenn ja, wobei genau?
Die gesamte Fotoserie zielte darauf ab, die Stadt Charleroi als ruinös und moralisch verkommenen darzustellen. O-Ton Troilo: http://bari.repubblica.it/cronaca/2015/ ... 108645111/

Troilo, quando ha cominciato a pensare a un progetto su Charleroi?
"Metà della mia famiglia è emigrata in Belgio negli anni '50 e quando, quattro anni fa, ci andai per il funerale di mia nonna, ci vidi immediatamente un bel lavoro fotografico. Mi sembrava che quella città che stava collassando per le conseguenze di disoccupazione, immigrazione, microcriminalità, ben rappresentasse anche il resto d'Europa ".
(Troilo, wann begannen Sie über ein Projekt in Charleroi nachzudenken?
"Die Hälfte meiner Familie nach Belgien emigrierte in den 50er Jahren und als ich vor vier Jahren, zur Beerdigung meiner Großmutter kam, sah ich sofort eine schöne fotografische Aufgabe. Es schien mir, dass diese Stadt zusammenbrach als Folge von Arbeitslosigkeit, Einwanderung, Kleinkriminalität, stellvertretend für das übrige Europa. ")


Soweit, so gut. Sicher ist Charleroi kein schlechtes Beispiel für eine Industriestadt im Niedergang. Was aber die moralische Verkommenheit und sexuelle Dekadenz angeht, da hat Troilo dann kräftig nachgeholfen, Bilder gestellt, sich Motive im nahe gelegenen Brüssel "ausgeliehen" und in den Bildbeschreibungen einen etwas schrägen Zusammenhang hergestellt. Der dicke, halbnackte Mann verbringt eben nicht "seine Zeit meist abgeschieden in seinem schönen Haus im gefährlichsten Stadtviertel", wie der Bildtitel suggeriert. Er ist Gastwirt und ließ sich in seinem Lokal in der Innenstadt ablichten. Es war auch nicht seine Idee, nackt abgebildet zu werden, der Fotograf hat ihn dazu aufgefordert. http://www.ourageis13.com/photojournali ... -en-scene/ Das Paar im Auto macht dort nicht zufällig Sex, sondern der Cousin des Fotografen posiert mit einem Modell und ausgestattet mit dem nötigen Lichtequipment gezielt für die Kamera. Der Künstler Vadim Vosters inszenierte die obskure Dinnerszene (nackter Mann auf Esstisch) eben nicht in Charleroi, er wohnt auch nicht dort und hat eigentlich überhaupt keinen Bezug zu dieser Stadt. http://vadimvosters.be/

Als Kunstprojekt zur Visualisierung der phantasievollen Vorstellung eines Italieners vom weit entfernten Leben in der belgischen Provinz sind die Fotos absolut geeignet. Sie aber als herausragende journalistische Dokumentation verkaufen zu wollen, ist doch ein wenig befremdlich. Mich wundert es sehr, dass es diese Bilder im Wettbewerb soweit gebracht haben, und genau das wirft ein seltsames Licht auf die Jury.
Ute Maria Ute Maria   Beitrag 14 von 19
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Zitat: Marion Bers 06.03.15, 19:38Zum zitierten BeitragDie gesamte Fotoserie zielte darauf ab, die Stadt Charleroi als ruinös und moralisch verkommenen darzustellen. O-Ton Troilo: http://bari.repubblica.it/cronaca/2015/ ... 108645111/

Troilo, quando ha cominciato a pensare a un progetto su Charleroi?
"Metà della mia famiglia è emigrata in Belgio negli anni '50 e quando, quattro anni fa, ci andai per il funerale di mia nonna, ci vidi immediatamente un bel lavoro fotografico. Mi sembrava che quella città che stava collassando per le conseguenze di disoccupazione, immigrazione, microcriminalità, ben rappresentasse anche il resto d'Europa ".
(Troilo, wann begannen Sie über ein Projekt in Charleroi nachzudenken?
"Die Hälfte meiner Familie nach Belgien emigrierte in den 50er Jahren und als ich vor vier Jahren, zur Beerdigung meiner Großmutter kam, sah ich sofort eine schöne fotografische Aufgabe. Es schien mir, dass diese Stadt zusammenbrach als Folge von Arbeitslosigkeit, Einwanderung, Kleinkriminalität, stellvertretend für das übrige Europa. ")

Soweit, so gut. Sicher ist Charleroi kein schlechtes Beispiel für eine Industriestadt im Niedergang. Was aber die moralische Verkommenheit und sexuelle Dekadenz angeht, da hat Troilo dann kräftig nachgeholfen, Bilder gestellt, sich Motive im nahe gelegenen Brüssel "ausgeliehen" und in den Bildbeschreibungen einen etwas schrägen Zusammenhang hergestellt. Der dicke, halbnackte Mann verbringt eben nicht "seine Zeit meist abgeschieden in seinem schönen Haus im gefährlichsten Stadtviertel", wie der Bildtitel suggeriert. Er ist Gastwirt und ließ sich in seinem Lokal in der Innenstadt ablichten. Es war auch nicht seine Idee, nackt abgebildet zu werden, der Fotograf hat ihn dazu aufgefordert. http://www.ourageis13.com/photojournali ... -en-scene/ Das Paar im Auto macht dort nicht zufällig Sex, sondern der Cousin des Fotografen posiert mit einem Modell und ausgestattet mit dem nötigen Lichtequipment gezielt für die Kamera. Der Künstler Vadim Vosters inszenierte die obskure Dinnerszene (nackter Mann auf Esstisch) eben nicht in Charleroi, er wohnt auch nicht dort und hat eigentlich überhaupt keinen Bezug zu dieser Stadt. http://vadimvosters.be/

Als Kunstprojekt zur Visualisierung der phantasievollen Vorstellung eines Italieners vom weit entfernten Leben in der belgischen Provinz sind die Fotos absolut geeignet. Sie aber als herausragende journalistische Dokumentation verkaufen zu wollen, ist doch ein wenig befremdlich. Mich wundert es sehr, dass es diese Bilder im Wettbewerb soweit gebracht haben, und genau das wirft ein seltsames Licht auf die Jury.


Danke Marion. Mit dieser Erklärung kann ich etwas anfangen. Damit nennt man das, was Troilo hier zeigt, wohl Manipulation und Fälschung.

Ich wundere mich nun allerdings ebenfalls, warum erst reagiert wurde nach dem Ausschluss aus Protest gegen inszenierte Bilder von World-Press-Fotos durch das französische Foto-Festival.
Ute Maria Ute Maria   Beitrag 15 von 19
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Zitat: lbg13 06.03.15, 18:09Zum zitierten BeitragHier in dem Fall die eher unwahrscheinliche Annahme, dass Ute Maria als aspirantin auf den world press award im Rennen ist...

Ach weißt du, die Aspiration überlasse ich dir ;-)
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